Auf Bewährung freigelassene Straftäter kommen zu ihr: Barbara Widzgowski ist Geschäftsleiterin von «Neustart». Der Verein für Bewährungshilfe bringt Banker und Pensionierte mit ehemaligen Betrügern zusammen.
Barbara Widzgowski: So habe ich unsere Arbeit noch nie gesehen. Aber als Bewährungshelfer erhält man schon einen genauen Einblick in das Leben der Straftäter, ihre Taten und ihre kriminellen Fähigkeiten. Wir sind oft überrascht, auf welche Ideen die Leute kommen. Das ist manchmal schon Wahnsinn.
Barbara Widzgowski ist im norddeutschen Oldenburg unweit der Nordsee aufgewachsen, hat dort Erziehungswissenschaften studiert und begann dann in der Sozialarbeit zu arbeiten: vor allem in der Drogenberatung und -therapie. Widzgowski arbeitete in Oldenburg und in Hamburg. Nachdem sie in Spanien ihren heutigen Mann Willy Schaub kennen lernte, zog sie vor 24 Jahren zu ihm nach Basel. Das Paar hat eine 23-jährige Tochter. An ihrer Arbeit gefällt Widzgowski, dass sie Menschen begleitet, die sich entwickeln wollen. Seit 2010 ist sie Geschäftsleiterin des Vereins Neustart. Der Verein hat vier Mitarbeiter und rund ein Dutzend freiwillige Bewährungshelfer. Finanziert wird der private Verein durch Kantons- und Gemeindebeiträge sowie durch Spenden.
Es sind zum Beispiel Angestellte von Banken oder andere Menschen mit kaufmännischen Berufen – also bodenständige Leute. Auch ein Jurastudent und eine pensionierte Psychologin helfen uns. Die meisten Freiwilligen sind aber zwischen 35 und 50 Jahren alt.
Sie lernen, wie Menschen dazu kommen, sich ausserhalb unserer Normen zu verhalten. Oft ist eine Sucht der Grund. Auch das Strafrecht und der Umgang mit Menschen sind Themen in der Ausbildung.
Wenn ein Klient zum Beispiel sein Budget nicht im Griff hat, geht man mit ihm einkaufen, um zu sehen, wie er sein Geld ausgibt und wo er sparen könnte.
Es wurde schwieriger in den letzten Jahren. Am schwierigsten ist es bei der Steuerverwaltung Basel-Stadt und bei den Krankenkassen. Andere Gläubiger sind eher bereit, einen Teil der Schulden zu erlassen. Sie wollen zum Beispiel 40 Prozent der Schuld schnell zurück und verzichten dafür auf den Rest. Die Gerichte erlassen oft auch einen Teil der Prozesskosten. Allerdings erst nach einiger Zeit und einem begründeten Gesuch. Jemanden lebenslang zu betreiben, ist für die Gläubiger nicht attraktiv. Sonst treibt man den Schuldner in die Sozialhilfe. Dann bleibt für die Gläubiger gar nichts mehr übrig. Das sehen auch die Inkassobüros ein.
Es handelt sich um Kleinkredite und Handy-Abos, vor allem aber um Steuer- und Krankenkassenschulden. Die Miete können die meisten noch zahlen.
Viele der Täter hatten tatsächlich mit Beschaffungskriminalität zu tun, mit Drogenkonsum und Ladendiebstählen. Wir betreuen auch viele Betrüger. Und Leute, die Gewaltdelikte, Körperverletzungen und häusliche Gewalt ausübten. Mörder und Sexualstraftäter gehören hingegen nicht zu unseren Klienten.
Viele arbeiten zuerst für Temporärbüros und beweisen dort, dass sie brauchbare Arbeitskräfte sind. Manch einer kann auch zu einem alten Arbeitgeber zurückkehren. Etwa die Hälfte lebt von der Sozialhilfe oder von der Invalidenversicherung.
Wenn einer von vielen Tätern einen Rückfall hat, entsteht jeweils ein riesiges Geschrei. Strafvollzug und Bewährungshilfe stehen unter sehr grosser Beobachtung. Das ist auch richtig: Wir sind verpflichtet, keine Fehler zu machen.
Das Bedürfnis nach absoluter Sicherheit, das häufig in den Medien zum Ausdruck kommt, kann man nicht befriedigen.