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Das Public Viewing in der Basler Ausgangsmeile hatte alles, was es brauchte. Ausser Emotionen. Vielleicht müssen wir gerade deshalb mehr von unseren Jungs verlangen als wir ihnen zutrauen.
Das Fazit vorweg: Die Schweiz hat 0:1 gegen Schweden verloren und wir waren am Schluss alle ziemlich betrunken. Nicht wegen des Resultats, nicht wegen der lauen Performance unserer Nati auf dem Platz, sondern schlicht, weil es nicht viel mehr zu tun gab als zu trinken.
Das Spiel gegen die Schweden war: naja. Sagen wir es so: Ein Achtelfinal einer Weltmeisterschaft wird in der Schweiz eher als Nachspielzeit zur Gruppenphase betrachtet, also eher als Bonusrunde denn als echte Herausforderung, in einen Viertelfinal zu kommen. Insofern spiegelte das Fan-Volk in der Basler Ausgehmeile Steinenvorstadt durchaus die Leistung der erlesensten Fussballer unseres Landes auf einem Feld in Russland.
Natürlich war alles da, was es für ein überschäumendes Public Viewing braucht. Jeden fünften Meter flimmerten mindestens zwei Bildschirme, überall Fans in Nati-Trikots, den Reporter übrigens eingeschlossen, ausreichend Bier und Häppchen, Fähnchen hier, Fahnen dort, Schminke, Hotpants.
Aber Gefühle, Emotionen? Die Staine, also jene Gasse, wo auch Granit Xhaka und seine Kollegen einen über den Durst nahmen und nehmen, betrachtete das Trauerspiel stoisch. Darin unterschied sich die Ausgangszone nicht wesentlich vom Rest der Stadt, der sich bereits auf eine sich anbahnende Niederlage eingestellt hatte. Bis auf den fussballnaiven Reporter eben, der noch eine Stunde vor Anpfiff das offenbar letzte Nati-Trikot dieser Stadt, übrigens in der Grösse S, ergattert hatte. Nicht einmal das verschaffte Zugang zu johlenden Gruppen von Fans. Weil es schlicht keine johlenden Fans gab.
Man ertrug dieses Spiel wie man, sagen wir mal, ein Date erträgt, von dem man im Vornherein schon weiss, dass gegenseitiges Verstehen unmöglich ist. Wenigstens ein paar Sprüche landeten im Humor-Tor. Wie etwa dieser: «Früher brandschatzten diese Blonden aus dem Norden ganze Siedlungen vor dem Frühstück. Heute liegen sie schon auf dem Boden, wenn sie ein Schweizer nur ansieht.»
Das Tor des Schweden Forsberg löste dann doch eine mindere Erschütterung aus. Aber es diente einzig als weitgehend wirkungsloser Weckruf an eine Fan-Menge, die an diesem Dienstagabend mit den Gedanken irgendwo anders war oder am Handy. Selbst nach Abpfiff herrschte allenthalben Heiterkeit. Nur ein kleiner Junge weinte bitterlich nach Abpfiff. Er hatte vor dem Mexikanerlokal gerufen, geschrien, nach Forsbergs Schwedentor umso mehr, nur trug die junge Stimme noch nicht in die rot-weiss gewandete Menge, die, jawoll: im Namen einer Himmelherrgott minimalen Gefühlsregung dieser kühlen, so vernünftig kommentierenden Fussballnation.
Einer Nation, die ein grosses Stück mehr von einem blind für seine Mannschaft fanenden Jungen ertragen hätte. Denn vielleicht sollten wir doch beginnen, von unseren Jungs ein Wunder zu erwarten statt daneben zu stehen und zur Kenntnis zu nehmen, was wir ihnen ohnehin zutrauten. Vielleicht müssen wir auch einfach mehr erwarten. Um überhaupt noch etwas davon zu empfinden, worum es bei diesem ganzen Fussballzirkus eigentlich geht: Emotionen.