Kommentar
Zwickmühle Wohnpolitik: Zwei Städte, ähnliche Probleme

Patrick Marcolli
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Berlin hat sehr lange, wohl allzu lange zugewartet, bis Massnahmen gegen die Gentrifizierung ergriffen wurden. (Symbolbild)

Berlin hat sehr lange, wohl allzu lange zugewartet, bis Massnahmen gegen die Gentrifizierung ergriffen wurden. (Symbolbild)

KEYSTONE/AP/Markus Schreiber

Punkto Grösse und politischer Bedeutung liegen Welten zwischen Berlin und Basel. Vergleiche müssen also zwangsläufig hinken oder zumindest relativiert werden. Und doch zeigen sich einige Parallelen in der Stadtentwicklung an der Spree und am Rheinknie, auf die sich ein Blick zu werfen lohnt.

Während Berlin sich, mittlerweile fast zum Klischee geworden, als «arm, aber sexy» bezeichnet, kann Basel sich rühmen, «reich und immer sexier» zu sein. Sprich: Beide Städte boomen auf ihre jeweils eigene Art, stehen für ein reiches Kulturleben und haben viel von dem, was gemeinhin als Urbanität bezeichnet wird: Also viele Ausgehmöglichkeiten und einen attraktiven öffentlichen Raum, Zuzüger und Besucher aus aller Welt, eine liberale und tolerante Gesellschaft, innovative Unternehmen.

In beiden Städten jedoch zeigt sich immer stärker die Kehrseite dieser Medaille: Der Platz wird knapp, Verdrängungsprozesse haben längst eingesetzt (Berlin) oder sind zumindest in groben Zügen absehbar (Basel). Es dauert immer eine ganze Weile, bis die Politik das Ruder herumzureissen versucht. Berlin hat sehr lange, wohl allzu lange zugewartet, bis Massnahmen gegen die Gentrifizierung ergriffen wurden. Umso härter und letztlich phantasieloser fallen diese nun aus. Sie gipfeln in der Diskussion um mögliche Enteignungen von Immobilieneigentümern durch den Staat. Dies ist in Basel kein Thema und wird sicher keines werden. Und doch wird auch hier fast fieberhaft um bezahlbaren Wohnraum gekämpft und um Regeln für die Nutzung des öffentlichen Raums gerungen.

Dies ist bis zu einem gewissen Grad sicher notwendig. Die überhart geführten ideologischen Debatten in Berlin aber zeigen, wohin die Reise gehen kann, wenn Ansprüche an die Stadt und unterschiedliche Vorstellungen davon aufeinanderprallen, wie eine Stadt auszusehen, zu rentieren und zu funktionieren hat. Der Berliner Ethnologe und Stadtsoziologe Wolfgang Kaschuba hat jüngst im Gespräch mit dieser Zeitung davon gesprochen, dass ein Weg zur Lösung der Zielkonflikte im urbanen Raum darin liegen könnte, unsere individuellen Wünsche und Vorstellungen etwas zu hinterfragen und vielleicht sogar zurückzuschrauben. Der städtische Raum bietet zwar ein enormes Selbstverwirklichungspotenzial, seine Begrenztheit und seine Dichte setzt demselben aber eben auch gewisse Grenzen.

Der Staat kann und soll zwar Regeln setzen. Dabei läuft die Politik aber immer auch Gefahr, zu übersteuern und zu stark zu regulieren. Das wiederum führt dazu, dass wie in Berlin die Luft zum Atmen im übertragenen Sinn dünner wird. In Basel sollte man genau beobachten, was an der Spree geschieht.