Fairtiq
AAGL setzt auf private Ticket-App – die BLT wartet auf ein besseres System

Mit der Ticket-App Fairtiq möchte die Autobus AG Liestal (AAGL) eine Vorreiterrolle spielen. Doch das grössere Transportunternehmen im Tarifverbund, die Baselland Transport AG, fährt eine andere Strategie.

Michel Ecklin
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Die AAGL arbeitet mit einem privaten Ticketanbieter zusammen.

Die AAGL arbeitet mit einem privaten Ticketanbieter zusammen.

ken/key

Verschiedene Zonen, Halbtax, unterschiedliche Routen – und wo hört schon wieder der Gültigkeitsbereich des U-Abos auf? Wer ein Billett für den öffentlichen Verkehr kauft, muss sich mit komplizierten Fragen beschäftigen. Mit der App Fairtiq fällt das alles weg. Bei Antreten der Reise bewegt man auf dem Handy einen Schalter, beim Aussteigen legt man ihn wieder um. Danach berechnet die App automatisch den besten Preis, berücksichtigt dabei Umsteigen, Halbtax, U-Abo und ob eine Tageskarte am günstigsten ist. Als Berechnungsgrundlage benutzt die private Firma Fairtiq die Bewegungsdaten des Handys. Seit 2016 funktioniert die App, seit März kann man damit Tickets für die ganze Schweiz kaufen, also auch im Tarifverbund Nordwestschweiz (TNW).

Nur tut das derzeit noch kaum jemand. Gerade mal 200 Billette täglich werden im TNW über Fairtiq verkauft. Geht es nach der Autobus AG Liestal (AAGL), soll sich das ändern. Das Transportunternehmen macht jetzt für die App aktiv Werbung, an ihren Haltestellen und auf den Plakaten und Bildschirmen in den Fahrzeugen. Damit dürften die Benützerzahlen der App im TNW explodieren. Fairtiq rechnet aufgrund der Erfahrung in anderen Tarifverbünden mit einer Versechsfachung.

Fairtiq werde bei weitem nicht nur von Digital-Freaks benutzt, sagt Geschäftsführer Gian-Mattia Schucan. «Ältere Menschen sagen uns, die Automaten würden sie nicht verstehen, unsere App schon.» AAGL-Geschäftsführer Roman Stingelin ist überzeugt: «Fairtiq ist für den Fahrgast die einfachste Lösung.» Die AAGL sieht er als Bindeglied zwischen der Firma Fairtiq und dem TNW, man werde wertvolle Erfahrungen sammeln können. Und er ist überzeugt: «Die anderen TNW-Unternehmen werden auch für Fairtiq Werbung machen, sobald sie sehen, dass die App bei uns gut funktioniert.»

Die Fairtiq App funktioniert nicht ganz vollautomatisch. Vermutet die App das Ende der Reise, ruft sie dazu auf, das zu signalisieren.

Die Fairtiq App funktioniert nicht ganz vollautomatisch. Vermutet die App das Ende der Reise, ruft sie dazu auf, das zu signalisieren.

zvg

Keine private Lösung

Damit könnte sich Stingelin aber täuschen. So hat die Baselland Transport AG (BLT) bewusst auf eine Zusammenarbeit mit Fairtiq verzichtet. Direktor Andreas Büttiker geht davon aus, dass bald bessere und günstigere Systeme als Fairtiq zur Verfügung stehen werden – bei denen der Fahrgast gar nichts mehr tun muss, nicht mal einen Schalter auf dem Handy bewegen. «Am Ende ihrer Reise vergessen das die Leute oft», sagt Büttiker. Und er sagt voraus: «In einigen Jahren haben die Transportunternehmen solche ‹Be-In-Be-Out›-Systeme in ihren eigenen Apps standardmässig integriert.»

An einem solchen vollautomatischen System arbeitet Fairtiq derzeit zwar auch. Doch Büttiker hat grundsätzliche Bedenken, den Billettverkauf einer privaten Firma ausserhalb des öffentlichen Verkehrs zu überlassen.

Die Schweizer Transportunternehmen sind derzeit daran, eine zentrale Preisberechnungsmaschine aufzubauen. So sollen alle mit ihren eigenen Apps den gleichen Preis für die gleiche Strecke verlangen. Und nur an eine solche Stelle möchte die BLT die Bewegungsdaten der Fahrgäste weiterleiten, nicht an ein privates Unternehmen wie Fairtiq. «Uns ist es wichtig, über diese sensiblen Daten die Hoheit zu behalten», sagt Büttiker.
Den meisten Tram- und Busbenützern in der Nordwestschweiz können diese Überlegungen sowieso egal sein. 80 Prozent von ihnen besitzen ein U-Abo oder ein Generalabo.

Grüne Kästen

Billettautomaten sind ein Auslaufmodell

Kaufen Fahrgäste zunehmend ihr Billett mit einer App, werden die Billettautomaten immer überflüssiger. Die AAGL rechnet, dass sich die Tendenz mit Fairtiq verstärkt. Bereits plant das Unternehmen den Abbau von Automaten an wenig benutzten Haltestellen. «An einigen werden gerade mal vier Billette pro Tag gekauft», sagt AAGL-Geschäftsführer Roman Stingelin. Er versichert, dass auf absehbare Zeit nicht alle Automaten verschwinden, Und man werde immer bei Chauffeuren sein Ticket bezahlen können. Auch die BLT möchte die Automaten «sukzessive abbauen, wo es sinnvoll ist», sagt Direktor Andreas Büttiker. «Aber wir können nicht bei allen Fahrgästen voraussetzen, dass sie eine App benützen.» Die Automaten seien alle bereits abgeschrieben und würden keine weiteren Kosten verursachen.