Die sofortige Freistellung des angeblich zu fleissigen Oberdörfer Gemeindepolizisten G. K. hat schweizweit für Schlagzeilen gesorgt. Der Fall, der wie das Regiebuch eines Kinofilms klingt, könnte landesweite Auswirkungen haben - eine Analyse.
Die Geschichte ist ja auch zu gut, als dass sie der «Blick» hätte verschmähen können. Da verteilt ein Dorf-Sheriff in einem offensichtlichen Fall von dienstlichem Übereifer Parkbussen links und rechts und sucht angeblich auch noch die Hundehalter in deren eigenen vier Wänden heim. Die Bevölkerung fühlt sich von ihrem eigenen Ordnungshüter drangsaliert, und der Gemeinderat zieht wegen «mangelnden Fingerspitzengefühls» die Notbremse.
Hier hat das wirkliche Leben glänzend Regie geführt. Eben erst ist die Vernehmlassung für das zu revidierende Baselbieter Polizeigesetz zu Ende gegangen, zu dessen zentralen Neuerungen die genaue Pflichtenabgrenzung zwischen Kantons- und Gemeindepolizei gehört. Dabei handelt es sich um eine Zangengeburt, das Ergebnis bezeichnet Sicherheitsdirektor Isaac Reber als gut schweizerischen Kompromiss. Zwei Jahre lang rangen Gemeinde- und Kantonsvertreter um die vorliegende Fassung des Gesetzesentwurfs.
Sicherheit wird teuer für die Gemeinden
Das polizeiliche Kompetenzgerangel zwischen Kanton und Kommunen hat sogar eine jahrzehntelange Vorgeschichte, die im Fall des Tramflüchtlings von Münchenstein vor einigen Jahren bizarre Blüten trieb. Mit dem vorliegenden Entwurf sind nun Gemeindeverband und eine Mehrheit der Kommunen grösstenteils zufrieden. Nur gerade aus Therwil entwächst ernsthafte Opposition. Doch scheinen die Leimentaler kaum Helfer bei ihrem Widerstand zu finden.
Obschon die Gemeinden an der Entstehung des neuen Polizeigesetzes aktiv mitgearbeitet haben, befürchtet Therwil, dass sich diese mit der Revision selber ein Ei legen. Das neue Polizeigesetz betont den aus dem Gemeindegesetz stammenden Grundsatz, dass die Gemeinde für die Wahrung der öffentlichen Ordnung zuständig ist – und zwar rund um die Uhr während 24 Stunden und 365 Tagen. Damit, so argumentiert Therwil, werden vor allem kleinere Gemeinden überfordert und im schlimmsten Fall dazu gezwungen sein, eine teure Gemeindepolizei-Organisation aufzubauen, da sich die Kantonspolizei für nicht mehr zuständig erklärt; oder private Sicherheitsdienste anheuern zu müssen, was einen Bruch mit dem Grundsatz des staatlichen Gewaltmonopols darstellt.
Mehr mobile Patrouillen
Falsch, entgegnet der Verband Basellandschaftlicher Gemeinden: Die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung war immer schon eine Verwaltungs- und eben nicht eine Polizeiaufgabe. Gerade Gemeinderäte und -präsidenten kleinerer Ortschaften können ein Lied davon singen, wie oft sie schon bei Partylärm oder Hauskrach persönlich ausgerückt sind, um Frieden zu stiften. Selbst wenn manche Kommunen dazu übergehen, Sicherheitsdienste anzustellen, um am Freitagabend für Ruhe auf ihren ortseigenen Partymeilen zu sorgen, stelle dies keinen Angriff auf das staatliche Gewaltmonopol dar. Sollte nämlich die Situation derart eskalieren, dass der einzelne Securitas-Wachmann überfordert ist, wird die Schwelle zur Intervention überschritten. Und dann geht die Zuständigkeit automatisch auf den übergeordneten Kanton über.
Die Frage lautet allenfalls noch, wie lange die Baselbieter Polizei braucht, um tatsächlich vor Ort einzutreffen. Das Schreckgespenst einer Kantonspolizei, die sich immer mehr aus den Gemeinden in ihre wenigen zentralisierten Stützpunkte zurückzieht, ist mit der Schliessung des Postens Frenkendorf und der beiden Aussenstellen in Buus und Läufelfingen eben erst neu aufgetaucht. Anderseits ist es zentraler Bestandteil der neuen Einsatzstrategie im Kampf gegen Einbruchdiebstähle, die lokale Polizei zu stärken. Polizeikommandant Daniel Blumer hat vergangenen Mittwoch angekündigt, er wolle mit mobilen Patrouillen erhöhte Präsenz in den Wohngebieten der Gemeinden markieren.
Diese Zusammenhänge verstehen natürlich auch die Therwiler Gemeindebehörden. Ihr Problem ist aber, dass sie sich zum Sprachrohr der kleineren Baselbieter Gemeinden machen, ohne dass diese das überhaupt wollen. Entweder sind diese mit ihren bereits angewandten Ordnungsdienstmodellen zufrieden. Oder dann freuen sie sich so sehr darüber, dass es mit dem neuen Polizeigesetz keine mühseligen Verrechnungen mehr zwischen Kanton und Gemeinden geben soll, dass sie die Gesetzesrevision nicht gefährden wollen.
Keine allmächtigen Dorf-Sheriffs mehr
Als Zückerchen kommt hinzu, dass fortan grundsätzlich jede Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen die Kontrolle des ruhenden und fahrenden Verkehrs übernehmen darf. Selbst wenn Gemeinden auch künftig Polizeidienste beim Kanton einkaufen wollen, wie dies Therwil in seiner Stellungnahme fordert, sollte das gemäss Überzeugung des Gemeindeverbands unter dem neuen Gesetz möglich sein. Der Kanton wird einfach nicht dazu verpflichtet sein.
Die Sicherheitspyramide mit kommunalem Ordnungsdienst und/oder Gemeindepolizei und der Kantonspolizei scheint also der lange herbeigesehnte Kompromiss zwischen den beiden Extremen der alleinigen Kantonspolizei einerseits und der völlig autonomen Gemeindepolizei anderseits zu werden. Wobei andere Versuchsmodelle wie die Unterstellung der Liestaler Stadtpolizei unter kantonale Führung erst noch ausgewertet werden müssen. So oder so steht es den Gemeinden frei, sich beim Ordnungsdienst mit anderen Kommunen zusammenzuschliessen, womit man automatisch wieder beim Thema Gemeinde- und Verwaltungsfusionen angelangt ist.
Ausgerechnet jetzt feuert Oberdorf also seinen einzigen Gemeindepolizisten. Wäre so etwas unter dem neuen Polizeigesetz nicht passiert? Im Gegenteil: Wenn sich jemand vor der Gesetzesrevision wirklich fürchten muss, dann sind es jene allmächtigen Dorf-Sheriffs, die ihre Kompetenzen bisweilen etwas gar weit ausgelegt haben. Wobei keineswegs behauptet sein soll, dass dies im Fall von G. K. tatsächlich passiert ist. Diese Story ist einfach sonst zu gut.