Analyse zum Abstimmungskampf
Binningen zofft sich um Werkhof: Das sollte auch anderen Gemeinden zu denken geben

Binningen hat mittlerweile ähnliche Probleme wie Basler Stadtquartiere: Die Bauland-Reserven sind erschöpft, aber die Nachfrage nach Wohnraum wächst. Der Streit um den Werkhof zeigt, wie sich alte Dorf-Mentalität an regionalen Entwicklungsfragen reibt.

Andreas Schwald
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Zu gross und zu teuer, monieren die Gegner: Projekt-Visualisierung des geplanten neuen Werkhofs Binningen an Hanglage beim Friedhof.

Zu gross und zu teuer, monieren die Gegner: Projekt-Visualisierung des geplanten neuen Werkhofs Binningen an Hanglage beim Friedhof.

Bild: zvg

Binningen stimmt über einen neuen Werkhof ab – und der Abstimmungskampf im Dorf läuft heiss. In der kleinen Welt der Gemeindepolitik ist so ein Werkhof-Neubau ein wichtiges, aber darüber hinaus oft nicht weiter bemerkenswertes Phänomen. Wo Gemeinden ihre Infrastruktur-Bauten hinstellen, ist ihre Sache, und darüber soll und darf kommunal bis aufs Blut gestritten werden. Danach verträgt man sich ja zwangsläufig sowieso wieder.

Was den Binninger Werkhof zum Exempel macht, ist seine Lage und damit seine Rolle in der Entwicklung dieser von Wachstumsdruck geprägten Gemeinde, die gleichzeitig das Einfallstor zum nicht minder von Wachstumsdruck geprägten Leimental bildet. Denn Binningen und die Nachbargemeinden, zu denen Basel-Stadt gehört, erleben gerade die nicht so schönen Seiten florierender Zeiten. Die Nachfrage nach Wohnraum wächst, allenthalben muss Verdichtung stattfinden, Verkehrsträger sind tendenziell überlastet, Ansprüche an die Vorzüge eines Wohnorts steigen.

Frei nach dem Motto: «Der Alte tut’s doch noch eine Weile»

Und mittendrin steht nun wörtlich dieser Werkhof, den die Gemeinde aus dem Wohngebiet heraus und lieber an den Friedhofshang verlegen möchte; das würde auch die Erschliessung des Neubau-Gebiets Spiesshöfli und damit der gesamten Talsohle nachhaltig verbessern. Für die Gemeinde ist die Verlegung also auch eine stadt-, pardon: dorfentwicklerische Notwendigkeit, um die Strecke entlang des Birsig zukunftstauglich zu machen. Der Standort beim Friedhof wäre für einen Neubau aus Gemeindesicht optimal.

Doch der vornehmlich bürgerliche Widerstand der Bevölkerung ist intensiv. Statt über die Entwicklungsfrage dieser für Binningen und die Talschaft wichtigen Achse zu debattieren, streitet die Gemeinde über das Preisschild mit 11,9 Millionen Franken, über die allgemeinen Dimensionen des Baus und sogar über eine möglicherweise gefährdete Grabesruhe.

Der entwicklerische Argumentationsnotstand der Gegnerschaft zeigt sich auch darin, dass sich ein grosser Teil der Kritik darin erschöpft, dem Gemeinderat einseitige Abstimmungspropaganda vorzuwerfen. Er lasse die Argumente der Projektgegner zu wenig zu Wort kommen. Diese fassen sie auf ihrer Website selbst so zusammen: «Zu gross, zu teuer und vor allem: am falschen Ort!» Den Gegnern geht es allerdings nicht um eine Redimensionierung des Baus oder um eine Alternative zum neuen Standort am Friedhof. Es geht um den Erhalt des Status quo: Der alte Werkhof soll stehen bleiben, wo er ist.

Ein Verdichtungsstreit aus dem Bilderbuch

Dass Binningen, dessen Steuersubstrat als klassische Wohngemeinde vor allem von natürlichen Personen gestemmt wird, in jeder erdenklichen Abstimmung erbittert über die Gemeindefinanzen streitet, ist mittlerweile ein bekanntes Phänomen. So wurde vor über zehn Jahren bereits eine Zusammenlegung just dieses Werkhofs mit der Nachbargemeinde Bottmingen an der Urne abgelehnt.

Dass Binningen aber auch eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der gesamten Nachbarschaft zukommt, ist eine Erkenntnis, die in der Einwohnerschaft erst langsam zu reifen beginnt. Dieser Status-Gewinn vom privilegierten Einfamilienhaus-Dorf hin zum wesentlichen Player in Siedlungsfragen mag auf den ersten Blick schmeicheln. In konkreten Fragen wie dieser Werkhof-Verlegung steigt damit aber auch die regionalpolitische Verantwortung.

Ob nun am 18. Juni in Binningen die konservative Sicht – zu gross, zu teuer, am falschen Ort – oder die progressive Sicht – modernisieren, entflechten, optimieren – obsiegt: Auch andere Baselbieter Gemeinden dürften mit Spannung auf den Verlauf und vor allem das Ergebnis dieses hitzigen Abstimmungskampfs im Zeichen der Verdichtung blicken.