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Zwischen Pratteln und Augst will Baselland ein drei Kilometer langes Velobahn-Teilstück bauen – es wäre das erste dieser Art in der Schweiz.
Die Elektrovelos boomen – das eröffnet für den Verkehr in der Agglomeration Basel bislang ungeahnte Möglichkeiten: Wurden für Pendelstrecken zwischen 5 und 20 Kilometern bisher vor allem Tram, Bus, Zug oder das eigene Auto genutzt, könnte hier künftig im grossen Stil das E-Bike oder das Velo zum Zug kommen. Voraussetzung ist allerdings der Bau neuer Infrastruktur.
Baselland plant deshalb neben dem Ausbau des gewöhnlichen Velowegnetzes auch Expressrouten – eigene, kurvenarme Trassen, die Zweirädern ein rasches und hindernisfreies Vorwärtskommen ermöglichen. Ein Pilotprojekt für eine Velovorzugsroute im Birstal ist bereits in Angriff genommen worden.
Am Mittwoch folgte nun der zweite Streich: Gemeinsam mit dem Bundesamt für Strassen (Astra) will der Kanton zwischen Pratteln und der Römerstadt in Augst eine rund drei Kilometer lange Velohochbahn bauen. «Was vor 60 Jahren die Autobahnen waren, die damals den Verkehr in der Schweiz revolutionierten, könnten schon bald Velobahnen sein», orakelte Baudirektor Isaac Reber bei der Präsentation vor den Medien.
Das Pilotprojekt soll rechtzeitig zum Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (Esaf) Ende August 2022 fertig werden und den Hunderttausenden Festbesuchern das Potenzial moderner Veloinfrastruktur vor Augen führen, wie Volkswirtschaftsdirektor und Esaf-Präsident Thomas Weber ausführte.
Der Prattler Velobahn-Prototyp ist aber nicht bloss ein Demonstrationsobjekt, sondern ein wichtiger Lückenschluss im Netz zwischen dem bestehenden Radweg Pratteln-Frenkendorf und der Langsamverkehrsachse, die nach Umlegung der Rheinstrasse im Gebiet Salina Raurica zwischen Birsfelden und Augst ausgebaut werden wird. Die Mittel dafür sind bereits gesprochen worden.
Erstellt werden soll die Velohochbahn in einer neuartigen Bauweise, für die Projektinitiant Klaus Kirchmayr ein Patent angemeldet hat: Dabei werden vorgefertigte, jeweils 20 Meter lange Module in Holz-Leichtbau ineinandergesteckt; «wie bei einer Carrera-Bahn im Spielzimmer», sagte Kirchmayr. Vorgesehen sind auf der vier bis fünf Meter breiten Bahn jeweils zwei richtungsgetrennte Fahrspuren. In die Bahn eingebaut ist digitale Technik, die neben automatischer Alarmierung bei Unfällen und anderen Ereignissen auch die Notwendigkeit von Wartungsarbeiten erkennt. Mit diesem System will Kirchmayr international für Furore sorgen.
Um Unfälle auf Eis zu vermeiden, wird die Fahrbahn im Winter geheizt. Kein ökologischer Unsinn? Der Grünen-Politiker winkt ab: Die Photovoltaik-Anlage an den seitlichen Geländern produziere acht- bis zehnmal mehr Energie, als für den Betrieb der Bahn benötigt wird. Berechnungen hätten ergeben, dass die Bodenheizung in gewöhnlichen Wintern nur während total 100 Stunden in Betrieb genommen werden müsse.
Neben dem futuristischen Pilotprojekt will das Astra prüfen, inwiefern solche Velobahnen in die bestehenden Korridore der Autobahnen aufgenommen werden könnten. Aufgrund der Bevölkerungsdichte und Siedlungsstruktur in der Region Basel wäre dies grundsätzlich sinnvoll, sagte Martin Urwyler, Bereichsleiter Langsamverkehr im Astra.
Das Bundesamt hat denn auch eine Linienführungsstudie für die Region Basel in Auftrag gegeben. Schweizweit will das Astra zudem in Zusammenarbeit mit Kantonen und Gemeinden Definition und Regeln erarbeiten.
Die Vergabe der Pilot-Velobahn an die Firma Urb-X von Klaus Kirchmayr und das Holzbauunternehmen Häring wird in der Baselbieter Politik noch zu reden geben: Nicht nur handelt es sich bei Kirchmayr, der als Fraktionschef der Grünen im Landrat amtet, um einen Parteikollegen und Intimus des zuständigen Baudirektors Isaac Reber.
Auch war es der Aescher, der 2019 im Landrat Vorstösse für Velo-Schnellrouten im Baselbiet einbrachte. Nun könnte er von der Umsetzung selber profitieren. Bis Ende Jahr soll die Vorlage für den Bau der Velobahn in den Landrat kommen. Inklusive Kredit in «einstelliger Millionenhöhe», wie Reber verrät.
Kirchmayr betont, bei Behandlung des Geschäfts im Parlament werde er «selbstverständlich» in den Ausstand treten. Die Initianten haben laut Reber bisher 130 000 Franken für Projektierungsarbeiten erhalten. Den Vorwurf der Vetterliwirtschaft weist er zurück: «Die Regierung hat sich selbstredend an alle gesetzlichen Regeln zur Vergabe gehalten.» Dass die Initianten Bekannte sind, sei nicht ausschlaggebend.
Vielmehr sei es das überzeugendste Projekt. Zudem befinde sich der Kanton bei der Veloinfrastruktur in der Experimentierphase. Welches der Pilotprojekte erfolgreich ist und später in grösserem Stil zur Anwendung gelangt, ist laut Reber offen.
Die Vergabe des Auftrags an Urb-X und Häring zur Machbarkeit liege wie üblich in der Kompetenz der Regierung, fügt Kirchmayr an. Für alle weiteren Schritte gelte das Beschaffungsrecht. «Wenn jemand günstiger oder besser offeriert, ohne das Patent zu verletzen, ist das der Wettbewerb, dem wir uns gerne stellen.» (haj)