Bubendorf
Aufgebauschtes Verfahren: Steinschlag auf den Kopf war keine versuchte Tötung

Fast fünf Jahre nach einem Streit auf einem Campingplatz in Bubendorf endet das Verfahren mit einer bedingten Geldstrafe. Vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung ist nichts übrig geblieben.

Patrick Rudin
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Ein 28-Jähriger schlug seinen Kontrahenten mit einem Stein auf den Kopf.

Ein 28-Jähriger schlug seinen Kontrahenten mit einem Stein auf den Kopf.

pixabay

«Er wollte kommen», versicherte Verteidiger Yves Waldmann am Mittwochmorgen vor dem Baselbieter Strafgericht. Er, das ist sein 28-jähriger Mandant, der bereits an der ersten Verhandlung im vergangenen April nicht aufgetaucht war. Er kam auch am Mittwoch nicht.

Die Geschichte liegt schon bald fünf Jahre zurück: An jenem Abend im November 2013 trafen sich zwei Männer auf dem Campingplatz Talhaus in Bubendorf, man wollte über den Kauf einer Parzelle diskutieren. Zuerst gab es Alkohol, dann Streit, und irgendwann begannen die beiden Männer im Vorzelt des Wohnwagens ein Gerangel. Der 42-Jährige soll den Jüngeren zuerst geschubst haben, das entsprechende Verfahren wegen Tätlichkeit stellte aber das Strafgericht im vergangenen April ein.

Der 28-Jährige schlug allerdings seinen Kontrahenten mit einem knapp sechs Kilogramm schweren Stein auf den Kopf. Weil der junge Mann damals nicht erschien, lud das Strafgericht am Mittwoch erneut zur Verhandlung und urteilte schliesslich in Abwesenheit des Angeklagten.
Ursprünglich sollte die Angelegenheit per Strafbefehl erledigt werden, doch in einer Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft liess sich der 28-Jährige offenbar die Aussage entlocken, er habe sein Gegenüber töten wollen.

Die Einvernahme wurde allerdings abgebrochen, nachdem man bemerkte, dass in der vom 28-Jährigen mitgebrachten Ginger Ale-Flasche kein Sprudel mit Ingweraroma, sondern Hochprozentiges gleicher Färbung war. Bei der zweiten Einvernahme durfte er dann nichts mehr mitbringen.

«Entsetzliche» Kindheitsakten

«Er leidet unglaublich unter diesem Verfahren, er hat Angst vor einer langen Gefängnisstrafe. Ich konnte ihm diese Ängste nicht nehmen», betonte sein Verteidiger. Tatsächlich suchte der Mann am Mittwochmorgen geradezu in Panik nach einem Mann, der damals auf dem Campingplatz dabei war und angeblich sein einziger Entlastungszeuge sein könnte. «Ich kann nicht alleine vor Gericht stehen, ohne dass jemand sagt, dass ich nicht der Aggressor war», meldete er sich kurz nach neun Uhr per SMS bei seinem Verteidiger.

So unklar die Vorfälle im November 2013 waren, so klar scheint aber der Krankheitszustand des Mannes: Eine posttraumatische Belastungsstörung ist belegt, ebenso leidet er an Asperger. Genaueres zu seiner Vorgeschichte wurde nicht erwähnt, aber Gerichtspräsidentin Monika Roth merkte an, die Akten über dessen Kindheit seien «entsetzlich».

Straffällig war er bislang nicht geworden. Als allerdings das Verfahren auf den Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung ausgeweitet wurde, deckte er die damals zuständige Staatsanwältin mit ziemlich harschen Mails ein. «Die Tathandlung beschränkte sich auf einen einzigen Schlag von geringer Wucht mit einem Stein. Er hat von Beginn weg ein Geständnis abgelegt». Auch konsumiere sein Mandant inzwischen keinen Alkohol mehr, so Waldmann.

Das Dreiergericht beliess es bei einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 30 Franken wegen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand. Das milde Strafmass kam wegen einer leicht verminderten Zurechnungsfähigkeit zustande, auch ging das Gericht von einem Notwehrexzess aus: Der Mann habe sich wehren dürfen, mit dem Steinschlag dann aber deutlich übertrieben. Dazu muss er 6000 Franken von den Kosten übernehmen, der Restbetrag von 32'000 Franken übernimmt der Staat, weil der Fall «aufgebauscht» worden sei. Der Stein wird eingezogen und laut Urteilsdispositiv vernichtet.