Museum.BL
Bändelwebkunst: Wie einst ihre Grossmutter

Annekäthi Dürrenberger aus Anwil zeigt die hohe Kunst des Posamentens. «Man brauchte viel Gespür dafür – und Hände so zart ‹wie Syde›.»

Andrea Mašek
Drucken
Annekäthi Dürrenberger ist eine der letzten Frauen im Kanton, die Bändel weben kann. Auch kann sie die Webstühle selber unterhalten und reparieren.

Annekäthi Dürrenberger ist eine der letzten Frauen im Kanton, die Bändel weben kann. Auch kann sie die Webstühle selber unterhalten und reparieren.

Andrea Masek

«Meine Grossmutter war Posamenterin. Ich habe sie noch bei der Arbeit erlebt. Als Kind und Teenager hat mich das aber nicht gross interessiert.» Heute steht Annekäthi Dürrenberger regelmässig an verschiedensten Posamenterstühlen im Kanton und demonstriert die hohe Baselbieter Bändelwebkunst einem interessierten Publikum. Fünfmal pro Jahr tut sie dies im Museum.BL in Liestal.

Ohrenbetäubend ist der Lärm, den der Posamenterstuhl verursacht. Doch er hat auch sein Gutes: «Er lockt die Besucherinnen und Besucher zu uns in den dritten Stock», sagt Dürrenberger. An diesem Nachmittag muss sie die Maschine aber immer mal wieder abstellen. Eventuell ist es die Feuchtigkeit, die draussen herrscht, die dem Stuhl zusetzt. Oder sind die Litzen, die die einzelnen Fäden trennen, doch zu brüchig? Dürrenberger setzt die Brille auf, eruiert schnell, wo das Problem liegt und behebt es mit wenigen Handgriffen und viel Geduld.

Verein mit eigenem Stuhl

Ihre Faszination für das Posamenten geht nun schon rund 30 Jahre zurück. Damals wurde sie vom Museumsverein Oltingen-Wenslingen-Anwil als Mitglied angeworben. Der Verein besass und besitzt noch heute einen Posamenterstuhl. Darauf webt Dürrenberger, ebenso wie auf dem Modell in Anwil, ihrer Wohngemeinde. «Ich bin handwerklich begabt, habe früher viel gestrickt und gehäkelt.» Im Kantonsmuseum ist die 53-Jährige seit fast fünf Jahren tätig. Sie wurde angefragt, sagte zu und kam anfänglich jeden zweiten Sonntag zum Einsatz. In der Zwischenzeit aber wird nur am ersten Sonntag im Monat zwischen 14 und 17 Uhr live gewoben.

«Es ist eine spannende Arbeit», sagt Dürrenberger. Es braucht dazu viel handwerkliches Geschick, denn wie an diesem Nachmittag zu sehen ist, läuft die über 100 Jahre alte Maschine nicht reibungslos. In Kursen und von Fachleuten hat sich die Weberin über die Jahre das nötige Reparatur- und Unterhaltswissen angeeignet. «Mich fasziniert das Gerät an und für sich sowie der Vorgang, wie aus den Fäden ein wunderschönes Band entsteht», erklärt Dürrenberger lebhaft. «Vielleicht geht meine Begeisterung doch irgendwie auf meine Grossmutter zurück? Auf jeden Fall ist das Posamenten oder ‹Pasimänte›, wie sie sagte, ein Stück Verbundenheit mit ihr.»

Die Museumsatmosphäre gefällt Dürrenberger. Auch sonst ist sie ab und zu in einem Museum anzutreffen, und sie ist im Dorf sehr aktiv, unter anderem im Leiterteam für das Vater-Mutter-Kind-Turnen. Hauptberuflich leitet die gelernte Hotelfachassistentin einen Genossenschaftsladen. Sie schätzt den Kunden- respektive den Besucherinnenkontakt. Als Mutter von vier inzwischen erwachsenen Kindern kann sie zudem mit den kleinen Gästen bestens umgehen. Noch so gerne beantwortet sie Fragen und gibt ihr Wissen weiter, das sich übrigens auf die ganze Geschichte des Posamentens erstreckt. Und doch sagt sie bescheiden, es gebe noch so viel, das sie nicht wisse.

Der Druck war enorm hoch

Inzwischen hat sie auch ein ganz anderes Bild von der Grossmutter: «Das Posamenten war harte Arbeit. Man brauchte viel Gespür dafür, Hände so zart ‹wie Syde› und es durfte einem kein Fehler unterlaufen. Der Druck der Seidenbandherren war enorm hoch, denn der Lohn war überlebensnotwendig.» Für die Enkelin ist das Weben reinste Freude und beruht auf Freiwilligkeit. Sie wünscht sich, dass das Handwerk nicht vergessen geht.