Interview
Baselbieter Tourismus-Direktor: «Die Belebung des Rheins wäre schon etwas Tolles»

Der seit 2011 amtierende Geschäftsführer von Baselland Tourismus Tobias Eggimann ist sich sicher: Der Baselbieter Tourismus hat viel zu bieten – auch in der Ferienzeit. Im Interview spricht er über die Sehenswürdigkeiten des Kantons und über seine Träume.

Yann Schlegel
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Rhein und Hitze
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Der Baselbieter Mr. Tourismus Tobias Eggimann lässt im Hintergarten des Hotels Bad Bubendorf tief in seine Wunschliste blicken. Martin Töngi
Die Hitzewelle hat Basel erreicht; der Rhein hat bereits rund 24 Grad Celsius. Sommer in Basel
Die Hitze lädt auch zum Verweilen ein, etwa mit Grill am Rhein. Abfall und Freizeitverhalten. Am Rheinbord Kleinbasel und im St.johanns Park.
Aber was übrig bleibt, ist nicht schön: Die Abfallmengen sind jährlich massiv. Abfall und Freizeitverhalten. Am Rheinbord Kleinbasel und im St.johanns Park.

Rhein und Hitze

Benjamin Rosch

Wo Tobias Eggimann arbeitet, kommt die Schönheit des Baselbiets nicht zum Vorschein. Am Altmarkt in Liestal rauschen die Autos vorbei. Beton dominiert das Bild. Deshalb eignet sich die Kulisse im Hotel Bad Bubendorf wesentlich besser, um mit dem Baselbieter Tourismus-Direktor über die Sehenswürdigkeiten des Kantons und seine Tätigkeit zu sprechen.

Sommerzeit ist Ferienzeit: Wohin würden Sie jetzt in die Ferien verreisen?

Tobias Eggimann: Bleiben wir im Baselbiet. Unser Ziel ist es, jenen, die im Baselbiet bleiben – und das sind viele –, auch hier etwas Tolles zu bieten. Der Baselbieter Freizeittourismus spricht die gesamte Region inklusive der Stadt Basel an. Wenn man in Liestal den Zirkel einsteckt und einen 30 Kilometer-Radius zieht, erreichen wir eine Million Menschen. Es gibt sprichwörtlich 1000 schöne Sachen zu sehen und zu erleben.

Was zählt im Baselbiet zu Ihren Favoriten?

Es kann die lapidare Grillparty sein, die mich glücklich macht – warum nicht auf der Waldenburg oder der Farnsburg? In den Abendstunden ziehe ich auf dem heissen Asphalt gerne eine Runde mit dem Rennvelo. Viele Leute wollen jetzt ans Wasser. Wir haben einen elf Kilometer langen Rheinabschnitt. Da kann man sich im Schlauchboot bis nach Basel-Stadt treiben lassen. Am Montag bin ich aus den Ferien heimgekehrt, habe aber überhaupt keinen Koller. Am Abend bleibt Zeit, um bei uns das Feriengefühl zu wahren. An meinem Wohnort in Lampenberg sehe ich die Sonne über dem Wisenberg aufgehen und über Wildenstein untergehen. Im Wallis wäre Lampenberg ein Ferienort.

Aber es ist kein Ferienort – warum?

Wir haben kein Matterhorn.

Was sind denn die Ikonen des Baselbiets?

Berge und Täler, Fluhen und Kirschen. Es ist eine Summe von tausend kleinen Dingen. Es ist einfacher, ein Matterhorn zu vermarkten als 1000 kleine Dinge. Aber um zu Leben habe ich lieber 1000 kleine Dinge. Wir sind keine klassische Ferienregion. Hierfür fehlt uns die Ferienhotellerie. Wir haben ein paar Perlen wie das Bad Ramsach oder Bad Schauenburg. Die anderen Hotels sind mehrheitlich auf Seminartourismus ausgerichtet.

Tourismus bleibt also eine Nische im Baselbiet.

Ich würde eher sagen, wir haben einen klaren Fokus auf den Geschäftstourismus. Der Freizeittourismus ist vielmehr ein Binnentourismus. (unterbricht) Es riecht ein bisschen nach Gülle, nicht?

Ja, aber es könnte intensiver sein.

Jetzt können Sie schreiben: Und auf einmal umwehte uns die Landluft. (lacht) Zurück zum Thema: Volkswirtschaftlich betrachtet ist unsere Hotellerie und Gastronomie extrem wichtig. Ohne sie ginge es der Wirtschaft nicht so gut. Und gäbe es keine Freizeitelemente, wäre das Baselbiet Brachland.

Als Sie vor sieben Jahren als Geschäftsführer begannen, war klar: Die touristische Vermarktung der beiden Basel wird nicht vereint.

Eine Tourismusorganisation der beiden Basel stand nie im Raum. Als ich übernahm, war dies kein Zeichen gegen Basel. Wir wussten, dass wir ein gutes Miteinander ansteuern müssen. Und das haben wir umgesetzt.

Baselland ergänzt die Stadt also ideal?

Intensiv arbeiten wir im Seminartourismus zusammen. Wir haben in einer Partnerschaft alle Baselbieter Tagungshotels angeschlossen. Auch beim Eidgenössischen Schwingfest 2022 werden wir mit Basel zusammenarbeiten.

Gibt es Schwierigkeiten, den Kanton Baselland zu vermarkten?

Wir müssen einfach realistische Ziele haben. Einerseits entwickelt sich einiges. Vor drei Jahren wusste niemand genau, wie es mit dem Bad Ramsach weitergeht. Und nun wird es unter neuer Eigentümerschaft Stück für Stück mit viel Stil erneuert. Auch beim Bad Schauenburg war nicht klar, in welche Richtung es geht. Nun präsentiert die Pächterfamilie unter neuer Eigentümerschaft Ende September die vollständige Renovation und Erweiterung. Andererseits ist die Hotellerie ein extremer Verdrängungsmarkt. In Basel, Weil, Grenzach und Saint-Louis gibt es innerhalb von zehn Jahren ungefähr 2000 neue Betten. Wenn du es verpasst hast, in dein Haus zu investieren, stellt sich irgendwann die Frage über Sein oder Nichtsein.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die Sonne in Sissach konzentrierte sich auf die Gastronomie, hatte aber auch Betten. Mit dem Generationenwechsel wird nun aber auf den Hotelbetrieb verzichtet. Aus meiner Optik ist es schade, wenn ein Ort wie Sissach plötzlich kein Hotel mehr hat.

2015 erreichte die Zahl der Logiernächte mit rund 310 000 einen Höhepunkt. Dann gab es eine Delle. Zuletzt blieben die Logiernächte auf konstantem Niveau. Wie sieht Ihre Prognose aus?

Meine Befürchtung ist, dass wir den aktuellen Level langfristig nicht halten können, weil eine Strukturveränderung stattfindet. Mir sind weniger, aber gute Betriebe lieber als viele, die qualitativ die Gästeerwartungen nicht vollumfänglich erfüllen. Qualität ist heute essenziell. Der Stern am Haus ist das eine, die Online-Bewertung das gewichtigere.

Inwiefern spielen Online-Portale wie Airbnb eine Rolle?

Insgesamt haben wir etliche hundert Online-Anbieter. Was früher das Bed & Breakfast war, ist heute Airbnb. Als Para-Hotellerieanbieter bezahlt man auf Airbnb zwar eine Kommission, ist aber extrem präsent. Für uns ist deshalb wichtig, dass die Gasttaxe seit dem 1. April automatisch an uns abgeführt wird.

Ist der Durchreise-Tourismus in Baselland ein wichtiger Ast?

Für das Hotel Ibis in Pratteln mag der Durchreise-Tourismus wichtig sein. Auf die gesamte Region bezogen ist er nicht bedeutsam.

Erhoffen Sie sich durch die neuen Charterflüge, die Basel aus dem asiatischen Raum anfliegen, einen Einfluss auf den Baselbieter Tourismus?

Mit dem Zusammenschluss der Tourismusregion unter dem Namen «Upper Rheinvalley» versuchen wir, die trinationale Region Oberrhein international zu vermarkten. Fürs Baselbiet wäre es aber vermessen, sich hiervon signifikant mehr Wertschöpfung zu erhoffen. Das Projekt ist für den Kulturraum rund um Colmar, Basel, Strassburg und Freiburg wertvoll.

Bei Ihrem Stellenantritt sagten Sie, es sei zu früh, um Schwerpunkte zu setzen. Wie sehen diese heute aus?

Damals fragten wir uns: Was gibt es im Baselbiet zu sehen? Es gab nicht einmal eine Zusammenfassung der Ausflugsziele. Heute ist die Ausflugskarte die meistgefragte: In fünf Jahren haben wir über 500 000 Exemplare verteilt. Wenn die Leute von unserer Region überzeugt sind, tragen sie dies nach aussen. Wenn sie das Gefühl haben, sie müssten sich vor dem eigenen Kanton verstecken, tragen sie dies ebenfalls nach aussen. Der Kanton Aargau galt lange als Prügelknabe-Kanton. In den letzten fünfzehn Jahren hat er sich vom belächelten Rüebli- und AKW-Kanton, zu einem Kanton entwickelt, der die eigenen Schönheiten hervorstreicht.

In welchen Bereichen konnte Baselland Tourismus Impulse für einen Wandel geben?

Unsere Kernarbeit ist es, die Scheinwerfer zu richten. Der Wandel fand vor allem im kommunikativen Bereich statt. Es ist aber auch toll, neue Angebote zu schaffen. Bald wird zum Beispiel mit Gasttaxen-Geldern ein neuer Erlebnisspielplatz auf der Wasserfallen gebaut. Er wird planmässig im Herbst eröffnet. Ein Highlight für Familien mit Kleinkindern. Zudem arbeiten wir an einer Mountainbike-Karte mit 15 Touren. Auch ein Highlight sind die Baselbieter Genusswochen. Ich wage zu behaupten, dass es den heutigen Liestaler Genussmarkt ohne sie nicht gäbe.

Sie haben viel von der Hotellerie gesprochen. Campieren in der Schweiz ist so beliebt wie nie. Hat das Baselland in diesem Bereich ein Defizit?

Ich pflichte Ihnen bei, ein Campingplatz an einem schönen Ort auf einem unserer Hochplateaus würde uns gut bekommen. Oder wie wäre es mit einem Wald-Camping? Wir haben 40 Prozent Wald, Baselland ist somit einer der waldreichsten Kantone. Aber es wäre wohl schwierig, eine zulässige Zone zu finden. Unsere Campings sind eher auf Dauercamper ausgerichtet, befinden sich vielmals... Wie könnte ich dies diplomatisch ausdrücken?

Sie sind verkehrsgünstig gelegen.

(lacht). Sagen wir es so: Es gibt Potenzial für attraktive Campings. Ein ausgefallenes Camping wäre eine tolle Sache.

Was wäre Ihre utopische Vision für Baselland Tourismus?

Wir überprüfen beispielsweise, ob wir die Skilifte in Langenbruck im Sommer zu Mountainbike-Förderungsanlagen umnutzen und einen MTB-Flowtrail bauen könnten. Durch dieses Angebot wirst du nicht weltbekannt. Aber in der Schweiz würde es wahrgenommen.

Ich hätte gedacht, Sie würden etwas zum Rhein sagen, der auf Baselbieter Raum stiefmütterlich und eher wirtschaftlich-industriell genutzt wird.

Sie wollen mich aus der Reserve locken. (lacht) Die Belebung des Rheins wäre schon etwas Tolles. Wenn man auf der Kraftwerkinsel in Birsfelden oder in Augst eine Badeerlebnis-Rheinwelt schaffen könnte, würde ich sagen: wow! Aber hierzu müssten die betroffenen Eigentümer und die Gemeinden vom Projekt überzeugt sein. In der Vergangenheit haben wir kleinere Schritte gemacht. Wir hätten in der Schublade ein Konzept für einen Mountainbike-Trail unterhalb der Wasserfallen-Bahn griffbereit. Und wenn Sie den Vogelberg betrachten, führt die Wasserfallen-Bahn heute gewissermassen in die Mittelstation. Jeder Tourismus-Direktor würde sich wünschen, dass die Bahn bis ganz oben führt. Das wäre eine zusätzliche Zündstufe. Allerdings gäbe es ganz viele Elemente zum Naturschutz zu beachten. Wenn man zu weit geht, macht man die Leute wütend und es bleibt bei den Hirngespinsten. Also arbeiten wir lieber nicht ganz so spektakulär, aber solide.