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Die beiden grünen Landräte Klaus Kirchmayr und Balint Csontos entwerfen für den grünen Baudirektor Isaac Reber eine Velohochbahn. Der Vorwurf der Vetterliwirtschaft hallt laut durchs politische Baselbiet. Zu offensichtlich sind die Verbandelungen. Nun zeigt Kirchmayr, wie es dazu kam.
Etwas gequält lächelt Klaus Kirchmayr in die Kamera, offensichtlich geblendet vom spätsommerlichen Sonnenschein. Dabei konnte der Grünen-Fraktionschef vergangenen Mittwoch einen grossen Erfolg verbuchen: Seine zusammen mit dem grünen Parteipräsidenten Bálint Csontos per April gegründete Firma Urb-X durfte – gemeinsam mit dem Holzbauunternehmen von alt SVP-Landrat Christoph Häring – für den Kanton Baselland und das Bundesamt für Strassen eine Machbarkeitsstudie umsetzen. Das Ziel: eine Velohochbahn, die pünktlich zum Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (Esaf) 2022 Pratteln mit der Römerstadt in Augst verbinden soll (diese Zeitung berichtete).
Doch seit jener Präsentation entlädt sich vor allem über Kirchmayr, aber auch über Csontos und dem grünen Baudirektoren Isaac Reber, ein Gewitter. Das Ganze hat für viele im politischen Baselbiet ein «grünes Geschmäckle», wie es CVP-Landrat Felix Keller auf Twitter formuliert. FDP-Präsidentin Saskia Schenker hielt auf dem gleichen Kanal fest: «Neue Art der Start-up-Förderung im Baselbiet: Man gibt sich einen Studienauftrag für 130 000 Franken plus das Pilotprojekt und hat dann das Patent für die europaweite Umsetzung. @grueneBL.» Und «Onlinereports»-Journalist Peter Knechtli titelte: «Die grossartige Velobahn – das grüne Amigo-Geschäft».
Der 57-jährige Kirchmayr steht dabei besonders im Fokus: «Klaus Kirchmayr liess keine Möglichkeit aus, sich negativ über die Wirtschaftskammer Baselland zu äussern. Und auch sonst war er stets zur Stelle, mögliche Seilschaften bei Auftragsvergaben zu kritisieren. Jetzt ist er selbst in dieser Rolle und da darf man ruhig mit Argusaugen hinschauen», sagt CVP-Landrat Marc Scherrer zur «Schweiz am Wochenende». Und Schenker hält fest: «Die ganze Konstellation ist sehr unschön. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Klaus Kirchmayr negativ auffällt.» Sie erinnert daran, dass Kirchmayr im Landrat erst Kritik an der Basellandschaftlichen Kantonalbank übte, nachdem Beat Oberlin als CEO abgetreten war und Kirchmayr kein Mandat als Berater mehr hatte. Oberlin ist jetzt Verwaltungsratspräsident der Urb-X AG.
Am meisten reiben sich die Kritiker nicht einmal an der Vergabe der Machbarkeitsstudie für 130000 Franken. Dieser Auftrag ging, wie Regierungsrat Reber auch auf Twitter mehrfach einwandte, nicht direkt an Urb-X, sondern an die Häring & Co AG und liegt zudem in der Regierungskompetenz. Das eigentliche Bauprojekt soll dann ordentlich ausgeschrieben werden. Die Wurzel des Problems liegt darin, dass Kirchmayr im Mai 2019 eine Motion eingereicht hatte, die ein Velo-Schnellrouten-Netz fürs Baselbiet forderte und die im September desselben Jahres als Postulat an die Regierung überwiesen wurde. «Dass ein Landrat mit einem Vorstoss sein eigenes Projekt lanciert, das er dann vom Kanton finanzieren lässt, hat nicht nur in der FDP-Fraktion für Verwunderung gesorgt», sagt Schenker. Sie habe damals auch zugestimmt, doch von Kirchmayrs Projekt habe niemand etwas gewusst.
Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass ein Landrat keine Millionengeschäfte mit dem Kanton machen sollte.
(Quelle: Klaus Kirchmayr, Grünen-Landrat, tritt noch 2021 zurück)
Von der «Schweiz am Wochenende» mit der Kritik konfrontiert, sagt Kirchmayr: «Wenn man den zeitlichen Ablauf kennt, klärt sich vieles auf.» Als er den Veloroutenvorstoss im Frühling 2019 eingereicht habe, habe er noch überhaupt nicht daran gedacht, selbst aktiv zu werden. Erst danach seien Menschen auf ihn zugekommen und hätten gefragt, wie er denn so eine Velobahn umsetzen würde. «Das hat mich als gelernten Ingenieur angestachelt.» Erst im Oktober sei ihm dann die Idee mit der Hochbahn gekommen. Csontos habe ihm beim europäischen Patent geholfen, das sie im Januar 2020 eingereicht hätten. Dann stiess Häring dazu. «Was hätten wir denn anders machen sollen», fragt Kirchmayr, «etwa aufhören, zu denken?»
Die einzige Kritik, die der Aescher gelten lässt, ist, dass er seinen ersten Auftrag just im Baselland ausführt. «Wir führten mit mehreren Städten Gespräche, ausserkantonal und auch international und tun es noch immer. Der Markt ist riesig. Wir wären gar nicht auf den Baselbieter Auftrag angewiesen», so Kirchmayr. Aber das Esaf 2022 sei für ein Pilotprojekt ideal geeignet, weswegen man es den Regierungsräten Thomas Weber und Isaac Reber vorschlug. «Dass sie bei einem heimischen Produkt dann zugreifen, ist doch verständlich.» Dass er und Reber befreundet sind, sei sogar eher ein Nachteil gewesen, so Kirchmayr: «Als erfahrene Politiker sind wir nicht naiv und auch nicht überrascht über die Reaktionen.»
Und noch etwas hält Kirchmayr fest: «Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass ein Landrat keine Millionengeschäfte mit dem Kanton machen sollte.» Er werde spätestens Ende 2021 zurücktreten und somit die Realisierung der Velohochbahn nicht mehr als Parlamentarier erleben. «Natürlich trifft mich die Amtszeitguillotine, doch ich würde es auch sonst machen.»