Bombardierung von Basel 1945
Die Erlebnisse von damals stecken noch tief in den Knochen

Nach dem Erscheinen des bz-Artikels melden sich zahlreiche Leserinnen und Leser bei Lokalhistoriker Patrick Schlenker, um von ihren persönlichen Erinnerungen zu berichten.

Bojan Stula
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Bombardierung von Basel 4. März 1945: Bestimmt werden auch diese Soldaten des passiven Luftschutzes später ihren Kindern und Enkeln erzählt haben, wie sie eine nicht explodierte Fliegerbombe auf dem Güterbahnhof Wolf bergen mussten.

Bombardierung von Basel 4. März 1945: Bestimmt werden auch diese Soldaten des passiven Luftschutzes später ihren Kindern und Enkeln erzählt haben, wie sie eine nicht explodierte Fliegerbombe auf dem Güterbahnhof Wolf bergen mussten.

ZVG / Sammlung Robert Lanz, koloriert von Patrick Schlenker

Patrick Schlenker, Sie haben seit dem bz-Artikel über Ihre Forschungen zur Bombardierung Basels am 4. März 1945 über ein Dutzend Rückmeldungen und Anfragen erhalten, aber auch Dokumente und persönliche Niederschriften zugestellt. Erstaunt Sie dieses grosse Interesse?

Ich bin echt überrascht, obschon ich mir hätte denken können, dass sich jetzt mehr Zeitzeugen melden, welche die Bombardierung von 1945 erlebt haben, als jene von 1940, worüber die bz im vergangenen November berichtet hat. Eine Seniorin hat sogar auf der bz-Zentrale angerufen, um nach meiner Adresse zu fragen, weil sie keinen Internetzugang und kein E-Mail hat. Meine Website wurde seither rund 4500-mal geklickt, was ein anständiger Wert ist.

Der Basler Patrick Schlenker ist neben seiner Passion für die Lokalgeschichte auch leidenschaftlicher Sammler von historischen Kostümen und Gegenständen - hier mit seinem britischen BSA WM20-Militärmotorrad aus den 1940er-Jahren.

Der Basler Patrick Schlenker ist neben seiner Passion für die Lokalgeschichte auch leidenschaftlicher Sammler von historischen Kostümen und Gegenständen - hier mit seinem britischen BSA WM20-Militärmotorrad aus den 1940er-Jahren.

Zvg / bz Zeitung für die Region

Das Thema scheint viele Menschen ein Leben lang begleitet zu haben.

In der Tat. Die Erinnerungen an damals sitzen tief. Das erkennt man an den vielen schriftlichen Zeugnissen, die ich erhalten oder in Aussicht gestellt bekommen habe. Da ist alles dabei: Lebenserinnerungen, Aufsätze, aber auch die niedergeschriebenen Erzählungen und Anekdoten ihrer Eltern oder Grosseltern. Teilweise kommt es mir so vor, als hätten viele nur darauf gewartet, dass endlich jemand ihre Geschichte hören oder ihre schriftlichen Erinnerungen lesen will.

Was für Anekdoten?

Eine Frau, die damals neun Jahre alt war, erinnerte sich daran, wie an diesem Sonntagmorgen gerade der Milchmann mit seinem Pferdewagen in die Strasse einbog. Als plötzlich die Bomben explodierten, brannte der Gaul in seiner Panik durch, und der Milchmann musste dem Gespann hinterherrennen, um es wieder einzufangen. Als Kinder fanden sie das damals wahnsinnig lustig und aufregend, erst später realisierten sie, wie gefährlich die Szene gewesen war.

Was noch?

Eine andere Frau erzählte mir von ihrem Grossvater, der zusammen mit vielen anderen losgezogen war, um die Bombenschäden rund um den Bahnhof anzuschauen. Doch dann sei er kreidebleich zurückgekommen: Offenbar hatte er von einem Luftschutzsoldaten wegen seiner Gafferei einen Riesenzusammenschiss erhalten. All diese Zeitzeugen waren damals zwischen acht und zwölf Jahre alt und können sich noch an viele Details erinnern.

Was machen Sie mit all dem neuen Material?

Wie bisher werde ich meine Website laufend mit neuen Erkenntnissen aktualisieren. Auch überlege ich mir, ein Video zu erstellen, um die Testimonials von Zeitzeugen der Nachwelt zu erhalten.

Und ein Buch?

Danach werde ich oft gefragt. Es würde mich schon sehr reizen, all diese Nebenaspekte der Geschichte Basels im Zweiten Weltkrieg in einem Buch zusammenzufassen. Doch dafür benötigte ich zuerst genügend Zeit und zweitens jemanden, der mich dabei unterstützen kann.

Was wird Ihr nächster Forschungsgegenstand sein?

Bestimmt wieder ein ziviles Projekt. Ich forsche ja nicht nur über den Zweiten Weltkrieg, sondern versuche jeweils, mit den Themen abzuwechseln. Bevor ich jedoch dazu komme, wird die Nachbearbeitung des Materials über den 4. März 1945 sicher noch viel Zeit brauchen. So möchte ich mich, sobald es die Verhältnisse wieder zulassen, mit allen Zeitzeugen persönlich treffen.