Fall Dojo
«Dachte, wir kommen da nicht mehr lebend raus»: Balicha soll ein Jahr ins Gefängnis

Im Strafgericht in Muttenz stellte die Staatsanwaltschaft am Dienstag ihre Anträge: Die meisten Teilnehmer kommen mit bedingten Strafen davon. Insgesamt fünf Männer sollen aber einen Teil im Gefängnis absitzen müssen.

Patrick Rudin und Benjamin Wieland
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Prozesstag 7: Shemsi Beqiri (l.) und Paulo Balicha vor dem Muttenzer Strafgericht
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Kickboxer-Prozess: Im Fall Dojo stehen sich Paulo Balicha und Shemsi Beqiri vor Gericht gegenüber
Er soll zusammen mit einem maskierten und bewaffneten Schlägertrupp das Trainingscenter seines Rivalen Shemsi Beqiri überfallen haben,
Balichas Verteidiger Nicolas Roulet begleitet seinen Mandanten zum Gericht.
Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Freiheitsstrafe für Balicha – davon zwei Jahre bedingt.
Shemsi Beqiris Kampfsportschule wurde überfallen.
Beqiri fordert als Privatkläger eine Entschädigung von 50'000 Franken.
Der Prozess bringt das Strafjustizzentum an seine Grenzen. Der Gerichtssaal ist kaum gross genug für alle 17 Angeklagten plus ihre Rechtsvertreter plus die insgesamt 20 Privatkläger plus deren Rechtsvertreter plus das Grossaufgebot an Polizisten.
Kamera hat gefilmt: Der Kampf zwischen Shemsi Beqiri (l.) und Paulo Balicha (r.) unter den Augen der maskierten Schlägern.
Das Video vom Kampf zwischen Balicha und Beqiri ist das wichtigste Beweismittel der Baselbieter Staatsanwaltschaft im Fall Dojo.
Der Kampf zwischen Balicha (links) und Beqiri hatte nichts mit Sport zu tun.
Beobachtet vom Überfallkommando, wehrt sich Thaiboxer Shemsi Beqiri (oben) gegen Paulo Balicha.

Prozesstag 7: Shemsi Beqiri (l.) und Paulo Balicha vor dem Muttenzer Strafgericht

Kenneth Nars

«Ich dachte wirklich, wir kommen da nicht mehr lebend raus», zitierte Staatsanwältin Evelyn Kern am Dienstag zu Beginn ihres Plädoyers aus den Akten. Dieser Satz und ähnliche Aussagen stammten von Minderjährigen, die den Überfall im Februar 2014 in Reinach hautnah miterleben mussten. «Allen Beteiligten war klar, dass Shemsi Beqiri nicht alleine dort sein würde, sondern auch andere Spitzenkämpfer dort sind. Deshalb war auch allen klar, dass es nur einer grossen, bewaffneten und vermummten Gruppe möglich ist, das Kampfsportzentrum anzugreifen», betonte Kern.

Die Staatsanwältin ging mit Paolo Balicha hart ins Gericht: Er habe jenen Abend bewusst ausgewählt, um Shemsi Beqiri so stark wie möglich zu schaden. Von Kindern sei keine Gegenwehr zu erwarten gewesen. Um die erwachsenen Trainer in Schach zu halten, habe er maskierte und bewaffnete Anhänger mitgenommen. Balicha habe bei der Haftanhörung selber zugegeben, es sei die Aufgabe der Maskierten gewesen, ihm den Rücken freizuhalten.

Verbotene Schläge

Die konkreten Anträge stellte dann Abteilungsleiter Boris Sokoloff: Paolo Balicha soll als Anführer mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren bestraft werden, davon soll er 12 Monate im Gefängnis absitzen. «Er scheute sich nicht, unbeteiligte Dritte für seine persönliche Angelegenheit aufzustacheln und einzuspannen. Er verletzte damit auch seine Rolle als Trainer und Vorbild», sagte Sokoloff.

Als Weltmeister und ausgebildeter Kampfsportler habe er seinen eigenen Kodex über Bord geworfen und Schläge angewandt, die verboten sind, weil sie tödlich enden können. «Es ging nicht nur um einen Streit zweier Rivalen, den man als dummen Streit abtun könnte. Es geht in einem hohen Mass um kriminelles Verhalten, was absolut nicht tolerierbar ist», so Boris Sokoloff.

Die Strafanträge für die weiteren Mittäter hingen stark von den Vorstrafen und dem konkreten Tatbeitrag beim Überfall ab: Das Strafmass schwankt bei weiteren acht Männern zwischen 18 Monaten und 2,5 Jahren.

Darunter sind vier Männer, die ebenfalls teilbedingte Strafen erhalten sollen und daher einen Teil tatsächlich absitzen sollen. Zwei dieser Männer wurden auch in Verbindung mit Ausschreitungen bei Fussballspielen angeklagt. Bei weiteren sieben Männern beantragte die Staatsanwaltschaft bedingte Freiheitsstrafen zwischen sechs und 15 Monaten. Dies hat vor allem mit deren Geständigkeit und mangelnden Vorstrafen zu tun, auch hatten sie beim Überfall eine eher passive Rolle und nachweislich niemanden geschlagen. Bei vielen Angeklagten kamen noch weitere Delikte dazu, etwa im Bereich von Drogen, Strassenverkehr und verbotenem Waffenbesitz.

Für den 17. Angeklagten forderte die Staatsanwaltschaft einen Freispruch: Ursprünglich ging man davon aus, dass er einem der Beteiligten ein falsches Alibi beschafft hat. Inzwischen scheint sich die Meinung durchgesetzt zu haben, dass er sich schlichtweg geirrt, aber nicht bewusst falsch ausgesagt hat. Heute Mittwoch bis Ende Woche haben die Verteidiger das Wort.

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