Arlesheim-Dornach
Das letzte Aufbäumen gegen die Überbauung? Umweltschützer versuchen es jetzt mit Demo

Die Gegner der beiden Wohnüberbauungen beim Goetheanum rufen zur «festlichen Demonstration» nach Arlesheim. Auch juristisch bekämpfen die Naturschützer die Projekte weiterhin – sehr zum Missfallen der Baselbieter Regierung: Sie tönt an, dass sie den Widerstand nur noch als destruktiv empfindet.

Benjamin Wieland
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Es ist schon ein Bagger zu sehen: Die Areale «La Colline» (rot schraffiert), «Schwinbach Süd» (gelb) sowie weiss gestrichelt die Grenze Baselland-Solothurn. Das Naturschutzgebiet Schwinbach-Aue liegt zwischen den geplanten Überbauungen und der Kantonsgrenze.

Es ist schon ein Bagger zu sehen: Die Areale «La Colline» (rot schraffiert), «Schwinbach Süd» (gelb) sowie weiss gestrichelt die Grenze Baselland-Solothurn. Das Naturschutzgebiet Schwinbach-Aue liegt zwischen den geplanten Überbauungen und der Kantonsgrenze.

bz

Das erlebt das beschauliche Arlesheim selten. Für diesen Samstag ist eine politische Kundgebung angekündigt. Die Initiative Natur- und Kulturraum Dornach-Arlesheim (IDA) ruft zur «festlichen Demonstration». Mit diesem Mittel soll auf das Naturschutzgebiet Schwinbach-Aue aufmerksam gemacht werden. Das Feuchtgebiet ist laut den Veranstaltern von der Wohnüberbauung «La Colline» akut bedroht: Die vorgesehene 200 Meter lange Tiefgarage werde wie ein Riegel den Hangwasserstrom kappen – das ökologisch wertvolle Feuchtgebiet entlang des Schwinbachs würde austrocknen und sei «unwiederbringlich verloren».

Treffen wollen sich die Aktivisten um 15 Uhr auf dem Domplatz. «In einem festlichen Zug tragen wir Wasser zum bedrohten Feuchtgebiet und werden unterwegs von Musikern begleitet», heisst es auf einem Flyer. Die Demonstration ist der vorläufige Höhepunkt des Widerstands gegen die Überbauung «La Colline», aber auch gegen das benachbarte Vorhaben «Schwinbach Süd». Total sollen 90 Wohnungen und 16 Reiheneinfamilienhäuser entstehen.

Die IDA bekämpft gemeinsam mit Helvetia Nostra, einer Stiftung der Fondation Franz Weber, die beiden Bauprojekte an der Grenze zu Dornach. Die zwei Hauptargumente lauten: Im Planungsverfahren sei es zu schwerwiegenden Fehlern gekommen. So fehle bis heute eine naturschutzfachliche Prüfung des «La Colline»-Projekts. Auch würden die Vorgaben zum Kulturgüterschutz verletzt – die Neubauten kämen dem benachbarten Goetheanum zu nah.

Steiner AG sitzt nur mit Regierung an einen Tisch

«Es ist fünf vor zwölf», sagt Jennifer Mc Gowan, Kommunikationsverantwortliche der IDA, zur bz. «Man muss jetzt handeln, sonst ist das Naturschutzgebiet zerstört.» Die Baselbieter Regierung habe es in der Hand, die kürzlich begonnenen Bauarbeiten vorsorglich zu stoppen. Das verlangten die IDA, Helvetia Nostra und die Fondation Franz Weber auch per offenen Brief an den Regierungsrat. Der Text erschien als Inserat in dieser Zeitung. Vorgeschlagen wird ein runder Tisch.

Nun verkünden IDA, Helvetia Nostra und Fondation Franz Weber einen kleinen Erfolg: Zumindest die Steiner AG habe als Bauherrin von «La Colline» dem Vorschlag, die Problematik der geplanten Überbauung zu diskutieren, «grundsätzlich zugestimmt». Die Steiner AG bestätigt diese Information. Das Angebot gelte aber nur dann, wenn der Baselbieter Baudirektor Isaac Reber diesen Runden Tisch einberufe.

Vorwurf des trölerischen Handelns liegt in der Luft

Von Seiten Reber werden aber ganz andere Töne angeschlagen. Auf Anfrage der bz lässt er verlauten, zum Areal «Uf der Höchi II» gebe es eine Volksabstimmung von 2013, ein Kantonsgerichtsurteil, einen rechtskräftigen Quartierplan und eine rechtskräftige Baubewilligung. Reber schreibt: «Wir finden es befremdlich, wie hier trotzdem weiterhin versucht wird, das entsprechende Vorhaben zu verhindern. Bei uns entsteht der Eindruck, dass hier der demokratische Rechtsstaat und seine Rechtsmittel offensichtlich strapaziert werden sollen.» Das sind deutliche Worte.

Bereits im Dezember 2019 verlangten Helvetia Nostra und Fondation Franz Weber per Antrag vom Regierungsrat, dass das Bauprojekt «La Colline» überprüft werde. Laut Helvetia Nostra ging der Regierungsrat aus formellen Gründen nicht auf den Antrag ein. Gegen diese Verfügung erhob Helvetia Nostra im Februar Einsprache, die weiterhin hängig sei. Helvetia Nostra spricht von einer «unhaltbaren Rechtsverzögerung betreffend vorsorglicher Schutzmassnahmen». Bis die Sachlage beurteilt sei, müssten sofort Schritte «zum Erhalt des jetzigen Zustandes» eingeleitet werden – sprich: aufschiebende Wirkung für die Baubewilligung.

Verkauf der Wohnungen geht unvermindert weiter

Die IDA wiederum setzt ein Fragezeichen bei einer Stellungnahme des Kantons. Weil er es abgelehnt habe, eine naturschutzfachliche Abklärung zu erstellen, habe man sich im Frühling an das Bundesamt für Umwelt (Bafu) gewandt. Das Bafu habe den Kanton angewiesen, «sich zum Schutz der nördlichen Quellen an der Grenze der beiden Parzellen (...) mit ihrem Einzugsgebiet zu äussern», so steht es in einem Schreiben des Bafu an den Kanton.

Diese Stellungnahme liegt nun laut IDA vor. Es gehe auf die Austrocknung des Feuchtgebiets aber gar nicht ein. Die bz wollte das Papier einsehen. Das wurde jedoch von der zuständigen Baselbieter Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion abgelehnt. Begründung: Es handle sich um ein laufendes Verfahren.

Die Steiner AG schreibt auf Anfrage, man habe wie geplant Mitte September mit den Arbeiten für «La Colline» begonnen. Dieses Vorgehen sei «entgegen der Behauptung der Kritiker weder reaktiv noch widerrechtlich». Als Bezugstermin für die Eigentumswohnungen wird laut Projektwebsite Herbst/Winter 2022 angestrebt.