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Die Rücktritts-Ankündigung von Susanne Leutenegger Oberholzer setzt bei der SP das Kandidatenkarussell in Gang.
Nun herrscht Gewissheit: Am Samstag hat die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer gegenüber der bz ihren vorzeitigen Rücktritt angekündigt. Spätestens Ende Jahr wird Leutenegger, die als eine der profiliertesten Wirtschaftspolitikerinnen des Landes gilt, das Parlament verlassen.
Die 70-Jährige will bereits jetzt Klarheit schaffen, denn an der Delegiertenversammlung vom 14. April fällt ihre Kantonalpartei erste strategische Entscheide für das Wahljahr 2019. Im Zentrum steht dabei die Kandidatur bei den Regierungswahlen vom 31. März 2019. Bei der SP hängen aus personellen Gründen kantonale und nationale Wahlen eng zusammen. Die Rücktritts-Ankündigung Leuteneggers ist der erste Dominostein, der wichtige Entscheide nach sich zieht. Der Wahlkampf ist lanciert.
«Es ist wichtig, die Ausgangslage zu kennen», kommentiert Adil Koller. Auch begrüsst der Baselbieter SP-Präsident, dass sich Leuteneggers Nachfolgerin vor den Nationalratswahlen voraussichtlich rund ein Jahr lang im Bundeshaus einarbeiten kann. Erstnachrückende auf der SP-Liste von den Wahlen 2015 wäre die Muttenzer Land- und Gemeinderätin Kathrin Schweizer.
Doch derzeit deutet alles darauf hin, dass die 48-jährige frühere SP-Fraktionschefin auf das Mandat in Bundesbern zugunsten einer Kandidatur für die Kantonsregierung verzichten wird. Schweizer war am Sonntag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Demnach würde also auf Anfang 2019 die zweite Nachrückende auf der SP- Liste, Parteivizepräsidentin Samira Marti, auf dem Stuhl Leuteneggers Platz nehmen. Die 24-jährige Marti gilt als Leuteneggers Wunsch-Nachfolgerin.
In der Baselbieter SP warteten zuletzt einige darauf, dass Leutenegger jüngeren Kräften Platz macht. Für sie selber aber war das nie in Stein gemeisselt: «Ich habe mir überlegt, ob ich die Legislatur nicht doch beenden soll», verrät sie. Ausschlaggebend gewesen sei, dass die Partei weiter mit einer Frau vertreten sein wird. Das ist nun wohl der Fall. «Bei einem Mann wäre ich nicht vorzeitig zurückgetreten. Denn es kann ja nicht sein, dass die Baselbieter SP drei Männer nach Bern schickt.»
Mit dieser Lesart sind nicht alle Genossen einverstanden: «Es war klar abgemacht, dass sie nach dem Präsidium der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) Ende 2017 geht. Das ist auch so protokolliert», sagen SP-Mitglieder. Ihren Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen, um nicht als Nestbeschmutzer zu gelten. Bei einem frühzeitigeren Rücktritt hätte Leuteneggers Nachfolgerin bis zu den nächsten Wahlen zwei Jahre Zeit gehabt, um sich in Bundesbern einzuarbeiten. Das ist nun nicht der Fall. «Wenn es darum geht, den SP-Sitz möglichst zu sichern, wäre mehr Zeit besser gewesen», sind die Kritiker überzeugt. Leutenegger aber mache, was sie wolle. «Auf die Chancen einer jungen Frau wird nicht geachtet – so viel zum Thema Frauenförderung.»
Der Schritt, nun anderen Platz zu machen, ist der in Augst wohnhaften Leutenegger offensichtlich nicht leicht gefallen. Seit insgesamt 23 Jahren politisiert sie unter der Bundeshauskuppel und gilt dort als einer der wenigen Politiker aus der Region Basel mit Einfluss. «Ich bin keineswegs amtsmüde», betont Leutenegger. Bis Ende Jahr will sie mit dem Aktienrecht und dem Versicherungsvertragsgesetz noch zwei Vorlagen zu einem guten Abschluss bringen. Hinzu kommt die Steuervorlage 17.
Die Baselbieter SP-Vizepräsidentin Caroline Rietschi lobt Leutenegger als «hartnäckige, hochkompetente Politikerin, die sozialdemokratische Anliegen in Bern beharrlich vertritt.» Um mit ihr auf Augenhöhe zu argumentieren, müsse man sehr gut vorbereitet sein. Leutenegger sei gewiss streitbar. «Ihr ging es aber immer um die Sache», stellt Rietschi klar.
Leuteneggers politische Karriere nahm ihren Anfang im Allschwiler Einwohnerrat, dann war sie Verfassungs- und Landrätin. Ab 1987 politisierte sie im Nationalrat. Während der ersten Legislatur noch für die Poch, die sie prägte und später auch innerhalb der SP stets am linken Rand politisieren liess. Nach einem Unterbruch von acht Jahren zog sie 1999 für die SP in den Nationalrat. Gleichzeitig leitete sie in Basel bei Coop Schweiz die Abteilung Wirtschafts- und Konsumentenpolitik, war später bei der «National-Zeitung» als Wirtschaftsredaktorin tätig und wurde dann Zentralsekretärin und Geschäftsleitungsmitglied der Gewerkschaft Bau und Industrie. Mit 41 begann sie beruflich nochmals von vorne und startete ein Zweitstudium der Rechtswissenschaften, das sie bis 2008 mit dem Amt der Kantonsrichterin krönte. Für 2003 ist eine gescheiterte Kandidatur als Baselbieter Regierungsrätin notiert. Leutenegger ist nach wie vor an vielen Fronten aktiv. Böse Stimmen meinen: an zu vielen.
Dass sich Leuteneggers Politkarriere dem Ende zu neigt, war klar: 2014 hatte die Baselbieter SP eine Amtszeitbeschränkung beschlossen, womit die 70-Jährige 2019 ohnehin nicht mehr kandidieren könnte. Gleichzeitig aber ist der verdienten Parlamentarierin ermöglicht worden, zum Ende ihrer Karriere noch das Präsidium der einflussreichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) zu übernehmen. Dieses hat sie im Dezember turnusgemäss abgegeben. Dass «SLO» wie sie in ihrem Umfeld genannt wird, ab 2019 gar nicht mehr politisiert, ist nur schwer vorstellbar. Sie hat für ihren Unruhestand jedenfalls bereits Pläne geschmiedet. Details möchte sie lieber nicht verraten. Aber: «Ich freue mich sehr auf die Zeit, in der mein Leben nicht mehr Gegenstand öffentlicher Diskussionen und Spekulationen ist.»