Bis zum Sonntag können Jugendliche in Liestal 220 Berufe kennenlernen. Die elfte Baselbieter Berufsschau 2017 legt Wert darauf, die angestrebten Berufe möglichst wirklichkeitsnah darzustellen.
Schüler, die zehn Minuten strammstehen können, bekommen ein «Diplom» der päpstlichen Schweizergarde – ein Beispiel dafür, dass die elfte Baselbieter Berufsschau 2017 in Liestal Wert darauf legt, die angestrebten Berufe möglichst wirklichkeitsnah darzustellen. Wenige Meter weiter können die Kids Virtual-Reality-Brillen aufsetzen. Um die Ecke wirbt die Psychiatrie Baselland um Nachwuchs. In einer eigenen Halle verlegen Gärtnerlehrlinge Gartenplatten. Die Gebäudetechniker werben mit einer «Gluggerbahn» – ein Projekt von Sanitärlehrlingen.
Bei den Zimmerleuten können die Schüler Nägel ins Stirnholz eines dicken Balkens treiben, bei den Baupraktikern riecht es nach frischem Zement. Irgendwo heult kurz ein Kettensägen-Motor, an einem anderen Stand wirbt ein WC-Weitwurf-Spiel um die Aufmerksamkeit der Fachleute von morgen. Die SBB bieten «die passende Lehrstelle für Dich» an, am Stand des Metzgermeisterverbands beider Basel zerlegen Lehrtöchter Fleisch. Und ein paar Stände weiter können an Pflegeberufen an einem Übungskissen mit einer Spritze eine Blutprobe nehmen. Ziehen sie die Nadel wieder heraus, erscheint wirklich ein Tropfen Blut an der Einstichstelle.
Vor der Eröffnung hatte Christoph Buser, Direktor der die Berufsschau organisierenden Wirtschaftskammer Baselland, das duale Bildungssystem – Theorie in der Berufsschule, Praxis im Betrieb als Grund für das das gute Abschneiden der Schweiz an den Berufsweltmeisterschaften in Abu Dhabi bezeichnet. Der Eröffnungsfeier im Kirchgemeindehaus Martinshof wohnte ein Publikum der Alterskategorie 50 plus bei, überwiegend im Anzug, teils im Handwerkerhemd. Und die Darbietungen des Polizeimusik Baselland, die dann auch den Umzug in die Frenkenbündten-Halle anführte, hätten wohl den Musikgeschmack der Smartphone- und Löcherjeans-Kids kaum getroffen.
Die für Bildung zuständige Baselbieter Regierungsrätin Monica Gschwind wies darauf hin, dass für Schüler aller 2. und 3. Sekundarklassen der Besuch der Schau obligatorisch ist. Sie empfahl zudem einen zweiten Besuch zusammen mit den Eltern.
Ursula Renold, Präsidentin des Fachhochschulrats FHNW bezeichnete den Besuch der Berufsschau als Einstieg in die Karriere, denn der erste Eindruck spiele auch bei der Berufswahl eine wichtige Rolle. Aus ihrer ETH-Forschungsarbeit über internationale Bildungs-Systeme schloss sie, dass der Erfolg an den Berufsweltmeisterschaften – zweiter Platz hinter China – sich auf ein breit abgestütztes Berufsbildungssystem abstütze und nicht – wie in China – auf isolierte Trainingscamps einiger Spitzenleute. Sie nannte Gründe für die Stärke des Schweizer Systems:
Die Verbundspartnerschaft zwischen Wirtschaft und Bildungsinstitutionen. Da wo die Bildungsleute die Überhand haben – etwa in den meisten englischsprachigen Ländern – sei die Wirtschaft abgekoppelt.
Die Durchlässigkeit innerhalb der Bildungswege: Wer eine Lehre macht, kann sich durch spätere Weiterbildung weiter qualifizieren. In Ländern mit solch gemischten Bildungspfaden seien am Schluss jene, die über eine Lehre in die Karriere einsteigen, auf dem Arbeitsmarkt gefragter und hätten später im Schnitt einen 10 bis 30 Prozent höheren Lohn. Die Praxis-Erfahrung stärkt ihre Position auf dem Arbeitsmarkt.
Der Erfolg des dualen Bildungswegs lasse sich auch daran ablesen, dass die Schweiz bezüglich Jugendarbeitslosigkeit sich weltweit unter den besten drei wiederfinde, auch sei die Qualität der Jobs gut.
Doch hob Renold auch den Warnfinger: «Die Jugendarbeitslosigkeit steigt auch in der Schweiz – trotz Fachkräftemangel.» Zudem nehme bei den Jungen der Anteil der befristeten Arbeitsverträge zu: «Gehen wir in Richtung ‹Generation Praktikum›?» Dies betreffe vor allem Hochschulabgänger. Fachhochschulabsolventen hätten dagegen mehr beruflichen Hintergrund.
Gerade Umfeld des digitalen Wandels, wo viele Berufe durch neue ersetzt werden oder sich stark wandeln, seien jene Kompetenzen wichtig, die man in den nächsten Beruf mitnehmen kann – «und das lernt man nicht an der Hochschule».