Die Baselbieter SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger will Handschlag-Verweigerungen schweizweit einen Riegel schieben. Unterstützt von der Parteispitze reicht sie dazu eine Motion beim Bundesrat ein.
Die SVP lässt nicht locker. Seit Wochen diskutiert die Schweiz über zwei muslimische Sekschüler in Therwil, die ihrer Lehrerin aus religiösen Gründen den Handschlag verweigert haben. Und da will auch die Schweizer Volkspartei ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Unterstützt von der Parteispitze fordert nun die Baselbieter Nationalrätin Sandra Sollberger per Motion die rechtliche Durchsetzung des Handschlags an Schweizer Schulen. Der Bundesrat solle die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen dazu schaffen.
Bereits zuvor hatte Sollbergers Solothurner Fraktionskollege Walter Wobmann einen weiteren Vorstoss angekündigt, mit dem die Möglichkeit für harte Sanktionen geschaffen werden soll. «Wer sich nicht integrieren will, soll ausgewiesen werden können», findet er.
Auch Sollberger spricht von mangelnder Integrationsbereitschaft im Fall Therwil. Und sie verweist dabei auf Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP): «Dass ein Kind der Lehrperson die Hand nicht gibt, das geht nicht», hatte die SP-Justizministerin am Schweizer Fernsehen SRF erklärt. «So stelle ich mir Integration nicht vor, auch unter dem Titel Religionsfreiheit kann man das nicht akzeptieren.» Man müsse absolut klarstellen, dass der Handschlag hierzulande dazugehöre. Man dürfe hier «kein Fragezeichen» aufkommen lassen.
«Leider scheint hier gesunder Menschenverstand nicht auszureichen», kommentiert Sollberger. Daher fordere die SVP rechtliche Grundlagen, um damit die Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind sowie die Sekundarschule Therwil zu unterstützen. Nachdem die Schulleitung die beiden Jugendlichen zuerst vom Handschlag dispensiert hatte, entschied Gschwind Ende Mai gestützt auf ein Gutachten, dass damit Schluss sei. Verweigere ein Schüler seiner Lehrerin die Hand, soll dies Konsequenzen haben. Im Extremfall müssten die Eltern eine Busse von bis zu 5000 Franken zahlen. Die Handschlag-Verweigerung diskriminiere die Frau. Im «öffentlichen Interesse» dürfe daher die Religionsfreiheit der beiden Schüler eingeschränkt werden. Für die SVP ist dieser Entscheid völlig richtig. Auch wenn es dazu kein Gutachten gebraucht hätte, wie Nationalrätin Sollberger findet.
Nun aber soll der Bundesrat handeln und gesetzliche Fakten schaffen. Und er soll es rasch tun, verlangt die SVP – noch bevor allenfalls das Bundesgericht den Fall Therwil beurteilen muss. So hat die SVP doch ihre Zweifel, dass ein mögliches Gerichtsurteil in ihrem Sinne ausfallen würde. «Das Bundesgericht hat aufgrund einer mangelnden Rechtsgrundlage schon verschiedentlich schwer nachvollziehbare Entscheide gefällt», sagt Sollberger. Dem will die Partei deshalb mit ihrem Vorstoss zuvorkommen.
Die Zweifel sind nicht ohne Grund aufgekommen. Immerhin hat alt Bundesrichter Giusep Nay gegenüber der «Schweiz am Sonntag» bereits erklärt, dass ihn das Baselbieter Rechtsgutachten nicht überzeuge: «Nach meiner Auffassung sind in den wenigen Verweigerungsfällen andere Lösungen als Zwang zu prüfen.» Etwa, indem sich Lehrerin und Schüler «in die Augen schauen und mit dem Kopf nicken». Eine solche Lösung sei verhältnismässiger. Aufgrund der strenggläubigen Grundhaltung der Schüler beziehungsweise ihres Vaters sei wohl zu Recht ein schwerer Fall angenommen worden. Es brauche aber eine gesetzliche Grundlage, um ein «öffentliches Interesse» geltend machen zu können, sagte Nay.
Genau eine solche will die SVP nun erarbeiten lassen. Nach der bundesrätlichen Stellungnahme sei ohnehin klar, dass der Handschlag nichts mit Religionsfreiheit zu tun habe – genau so wenig wie dessen Verweigerung. «Diese ist vielmehr ein Zeichen für mangelnden Respekt.» In diesem Fall vor Frauen. Oder anders: Hier fehle es an Integrationsbereitschaft. «Die Religion kann nicht als Entschuldigung für alle kulturellen oder erzieherischen Defizite angeführt werden», sagt Sollberger.