Immer, wenn jemand sagt, man solle selber denken, gibt mir das zu denken. Selber denken – das sagen meist Leute, die selber nicht so gerne denken. Und darum das Denken liebend gerne anderen überlassen. Mit Vorliebe Verschwörungstheoretikern.
Die Leute, die sagen, man solle selber denken, sagen auch gerne, auf Youtube sei doch alles da. Dort könne man noch die Wahrheit erfahren. Dass die Medien gesteuert seien, die Flüchtlingszahlen höher, die Vergewaltigungszahlen auch. Dass Merkel ein Echsenmensch ist und Hillary Clinton einen Pädophilenring betreibt, von einer Pizzeria in Chicago aus. Ja! Is‘ so! Hundertprozent! Informier Dich doch! Eben: Selber denken!
Kommt man den Selberdenkenden mit Fakten, reiten sie auf angeblichen Widersprüchen herum. Den Youtube-Gurus aber, denen glauben sie jedes Wort, diesen Selfmade-Gurus – fast ausnahmslos Männer mittleren Alters –, die vom Computerzimmer aus, die Welt erklären. Meist ist es ein auffällig schlecht eingerichtetes Zimmer.
Das mit dem Selberdenken wäre gar nicht so doof. Gescheite Theorien gibt’s zuhauf. Zum Beispiel das Propagandamodell von Noam Chomsky. Es sagt: Die Massenmedien helfen in Demokratien mit, dass alles bleibt, wie es ist. Dass die Mächtigen mächtig bleiben. Dass die Wirtschaft läuft wie geschmiert. Dass niemand das System an sich in Frage stellt.
Chomsky ist ein Anarchist? Von mir aus. Aber es lohnt sich mehr, sich mit ihm zu beschäftigen als mit kruden Typen auf Youtube.