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Für viele Baselbieter Gymnasiasten war er erlösend, der Entscheid Ende April, alle Maturprüfungen abzusagen. Doch dann kam die Leere. Höchstens kleine Diplomfeiern ohne Anhang sollen erlaubt sein. Doch der Drang nach einem würdigen Abschluss ist bei Schülern wie Lehrern gross.
Und plötzlich realisierte sie es: «Niemandem von uns war damals klar, dass der 13. März eigentlich unser letzter richtiger Schultag war.» In Eva Oberlis Stimme schwingt Wehmut mit. Dabei hätte die 20-Jährige allen Grund, sich zu freuen. Sie gehört zum Abschlussjahrgang des Gymnasiums Muttenz und weiss bereits seit dem Entscheid von Bildungsdirektorin Monica Gschwind vom 30. April, dass die Maturprüfungen 2020 ausfallen und sie wegen der Erfahrungsnoten die gymnasiale Matur auf sicher hat. «Das war auf jeden Fall der richtige Entscheid», sagt Oberli, die bz-Lesern sonst wegen ihrer Kolumne «Landzunge und Stadtmund» bekannt ist. Nie und nimmer hätte sie sich im Fernunterricht gleich fokussiert auf die Prüfungen vorbereiten können.
Die Zeit zwischen dem Start des Homeschooling und dem Entscheid von Gschwind bezeichnet Oberli als extrem mühsam: «Sie war so belastend wie keine andere Zeit meiner Schulkarriere.» Technische Hürden, Kommunikationsprobleme bei Videokonferenzen gepaart mit der grossen Verunsicherung, ob nun Prüfungen stattfinden oder nicht – und als der Entscheid fiel, stoppte alles abrupt.
Nicht alle Baselbieter Gymnasiasten und Fachmittelschüler haben den Abschluss aufgrund ihrer Erfahrungsnoten geschafft. Auf Anfrage teilt die Bildungsdirektion mit, dass 22 Schüler nun Prüfungen absolvieren, um den Abschluss doch noch zu schaffen – 7 Gymnasiasten und 15 FMS-Schüler. Mit fünf schriftlichen und fünf mündlichen Prüfungen entspricht es normalen Maturprüfungen. Sie laufen noch bis Mitte Juni. (mn)
Statt den schriftlichen und mündlichen Prüfungen von Anfang Mai bis Mitte Juni endete Oberlis Schulzeit sofort. Und mit ihr alle schulischen Strukturen. Der bz berichten auch weitere Maturanden anderer Gymnasien, dass dies für sie nicht einfach ist. Die Leere schürt Unsicherheiten. Kann man jetzt verfrüht in die Ferien? Oder sich einen Job suchen? «Unser Klassenlehrer sagte uns bloss, wir sollten nicht zu weit weg, weil noch unklar sei, wann und in welchem Rahmen die Abschlusszeugnisse übergeben würden», erzählt Oberli.
Nur bedingt Sicherheit gab der offizielle Brief von Regierungsrätin Gschwind an die Schülerinnen und Eltern vom 30. April. «Ich wünsche mir, dass Sie die gewonnene Zeit für soziale Einsätze nutzen und diese jenen zugutekommen, die aktuell auf besondere Unterstützung angewiesen sind», heisst es dort. Eva Oberli, die bei ihren Eltern auf einem Bauernhof in Niederdorf wohnt, entschied sich, gleich dort einen Landdienst zu absolvieren. «Ich weiss aber, dass nicht alle so leicht eine Beschäftigung finden.»
«Die Maturandinnen und Maturanden können jederzeit mit den Schulleitungen Kontakt aufnehmen, um eine Lösung für ihre individuellen Pläne zu besprechen», schreibt Fabienne Romanens, Sprecherin der Baselbieter Bildungsdirektion, auf Anfrage. Man begrüsse Initiativen von Schülerseite ausdrücklich. «Wir haben kein Ersatzprogramm für die ausgefallenen Prüfungen, informieren unsere Maturanden aber unter anderem über offene Praktikumsstellen», sagt dazu Isidor Huber. Der Rektor des Gymnasiums Laufental-Thierstein betont, die Schüler seien frei zu entscheiden, wie sie die unerwartet gewonnene Zeit nutzten. Aber: «Keiner kriegt das Maturdiplom, der die Austrittsformalitäten nicht erfüllt.» Schulmaterial und Spindschlüssel müssten abgegeben und das Abschlusszeugnis persönlich abgeholt werden.
Am Gymnasium Laufen suche man derzeit nach einer Möglichkeit, den Abschluss «in Würde» zu feiern, so Huber. Dies hänge stark von den Bedingungen zur Wiedereröffnung der Mittelschulen ab, über die der Bundesrat heute Mittwoch informiert. Dass auch am Gym Muttenz etwas ermöglicht wird, hofft Oberli: «Die emotionalen Werte fielen weg: die grosse Maturfeier, der Abschlussstreich, alles.»
In Laufen beschäftigt das sogar den Rektor: «Der Matur- streich ist bei uns ein kultureller Event und wurde fast generalstabsmässig geplant. Dass er ausfällt, tut jedem weh.» Zumindest in Muttenz wollen Eva Oberli und ihre Kolleginnen noch nicht aufgeben: «Wer weiss, vielleicht stellen wir doch noch etwas auf die Beine – trotz Corona.»