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Mark Burkhard ist der neue Präsident der Kantonalen Polizeikommandanten. Der Anschlag von Wien beschäftigt auch ihn - persönlich und beruflich. Ausserdem spricht er im Interview über Einsätze in der Pandemie und Themen wie Polizeigewalt.
Mark Burkhard: Zuerst einmal beschäftigt es einem sehr auf der persönlichen Ebene. Man kann sich nur schwer vorstellen, was das für die betroffenen Personen bedeutet. Polizeilich verfolgen wir die Lage sehr eng und beurteilen die Situation in der Schweiz. Das kann dazu führen, dass in einzelnen Kantonen, vor allem in städtischen Gebieten, die Sicherheitsvorkehrungen angepasst werden. Zum Beispiel bei den Weihnachtsmärkten. In den Schweizer Korps wurden zudem schon vor mehreren Jahren Massnahmen ergriffen, damit man auf terroristische Angriffe vorbereitet ist.
Das betrifft vor allem die Ausbildung und die Ausrüstung. Es wird geschult, wie man sich in einer entsprechenden Situation taktisch am besten verhält. In vielen Korps wurde auch die Bewaffnung angepasst.
Mark Burkhard ist seit 2013 Kommandant der Polizei Basel-Landschaft. Der 56-jährige gebürtige Berner ist sowohl diplomierter Informatikingenieur HTL als auch lizenzierter Volkswirtschafter. Bis 2013 war er als Generalsekretär des Departements Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau tätig. Zuvor amtete er während rund sieben Jahren als Stabschef der Kantonspolizei Bern. Im Militär war der Oberst im Generalstab Kommandant des Sicherheitsdienstes der Militärpolizei. Am 3. November wurde Mark Burkhard von der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) zum neuen Präsidenten gewählt. (bz)
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) nimmt sehr schnell Kontakt mit ausländischen Stellen auf und klärt in den einzelnen Kantonen ab, ob der Täter bekannt ist und ob Personen Kontakt zu ihm hatten.
Ja, die funktioniert gut. Ein Problem, das in der Schweiz allerdings besteht, ist der Datenaustausch zwischen den Kantonen. Unsere Informatiksysteme erlauben keinen automatisierten Austausch. Das bedeutet, man kann nicht einfach nachschauen, ob eine Person polizeilich bekannt ist, sondern muss einzeln auf die Korps zugehen. Im Moment versucht man, national eine Rechtsgrundlage für den automatisierten Datenaustausch zu schaffen.
Es gibt einen Namensindex, auf dem man sieht, ob irgendwo ein Verfahren läuft. Die konkreten Daten dahinter sind aber nicht sichtbar.
Wenn ein Polizist auf der Strasse eine Person kontrolliert, ist es wichtig, zu sehen, ob eine Person polizeilich bekannt ist. Heute kann es sein, dass ein Verfahren gegen eine Person läuft, der Beamte das aber nicht sieht. Gerade bei schweren Vergehen, etwa dem Verkehren in einem terroristischen Umfeld, ist das aber sehr wichtig.
Die Gefährdung in der Schweiz ist erhöht. Das sagt der Nachrichtendienst des Bundes schon seit einigen Jahren. Die Schweiz ist nicht im primären Fokus von islamistischen Kreisen, aber es ist durchaus möglich, dass ein solcher Anschlag auch in der Schweiz passieren kann.
Schliesslich ist das eine politische Entscheidung. Aber auch der Fall in Wien zeigt: Wenn man radikalisierte Personen hat, dann ist es schwierig, diese entsprechend zu behandeln. Kehrt jemand etwa vom IS in Syrien zurück, wird er verurteilt. Wenn er dann wieder auf freiem Fuss ist, stellt sich die Frage, was mit einer solchen Person geschieht. Es braucht eine rechtliche Grundlage, dass man solche Menschen entsprechend ihrer Gefährdung behandeln kann.
Das ist nicht unser Fokus in einer solchen Situation. Ein Terroranschlag ist eine grosse Bedrohung für die Bevölkerung. Da geht es darum, diese Bedrohung sofort zu eliminieren. Wenn es dann noch dazu dient, das Ansehen der Polizei zu steigern, ist das ein Nebeneffekt.
Ja, und man sieht daran auch, dass der Beruf gefährlich sein kann. Wenn man am Morgen kommt, weiss man nie, wie sich der Tag entwickelt. Das macht die Tätigkeit zwar spannend, aber es ist nicht immer angenehm, zuvorderst an der Front zu stehen. Sei es bei einer Pandemie oder einem Terroranschlag.
Ja, das stellen wir fest. 2019 hatten wir die höchste Zahl an Übergriffen auf Beamte in den letzten zehn Jahren. Daran sieht man, dass die Partykultur mit überhöhtem Alkohol- und Drogenkonsum auch negative Auswirkungen hat. In den Städten kam es gegenüber Sicherheitskräften, auch gegenüber Sanitätern, zu Gewalt. Wie man Personen, die versuchen zu helfen, angreifen kann, ist für mich absolut unverständlich.
Grundsätzlich glaube ich nicht, dass man das so sagen kann. Umfragen zeigen, dass das Image der Polizei in der Bevölkerung hervorragend ist. In Studien der ETH zur Zufriedenheit mit Institutionen führen wir die Tabelle regelmässig an.
Das ist mir nicht bekannt. Zu Beginn der Pandemie war das Verständnis für die Massnahmen teilweise noch nicht so gross. Mittlerweile haben die meisten Menschen begriffen, was der Sinn dahinter ist. Natürlich kommt es immer wieder mal zu Demonstrationen. Aber der grosse Teil der Bevölkerung hat die Massnahmen akzeptiert.
Wir tragen alle Masken (lacht). Nein, ich habe den Eindruck, die Lage ist an vielen Orten ziemlich ruhig, weil es generell weniger Aktivität in der Gesellschaft gibt. Die Einbrüche etwa sind zurückgegangen. Die Befürchtung, dass es zu mehr häuslicher Gewalt kommt, wird von den Kantonen unterschiedlich beurteilt. In Baselland konnten wir keinen signifikanten Unterschied zu den Vorjahren feststellen.
Wir hatten andere Herausforderungen. Die Umsetzung der Massnahmen hat uns stark beschäftigt. In anderen Bereichen haben die illegalen Aktivitäten auch zugenommen, etwa bei der Internetkriminalität.
Im Baselbiet waren es im April über 600. Im Mai nahm die Zahl dann sehr stark ab. Mittlerweile verteilen wir keine Bussen mehr, weil das der Bundesrat explizit nicht wollte. Wenn es nicht krasse Verstösse sind, die man anzeigen muss, bleibt es momentan also bei Ermahnungen. Ich glaube, es ist auch richtig, an die Eigenverantwortung der Menschen zu appellieren.
Mir sind schweizweit nur Einzelfälle bekannt, bei denen Polizeigewalt und Rassismus zum Problem wurden. Ich glaube, die Problematik ist bei uns viel geringer als etwa in den USA. Uns ist es ein grosses Anliegen, dass alle in der Bevölkerung gleichbehandelt werden. Themen wie Ethik und Menschenrechte gehören bei der Polizei zur Grundausbildung und werden auch in Weiterbildungen immer wieder behandelt.
Ja, das ist ein Teil davon. Zum Thema Racial Profiling: Bewegt sich ein Polizist in einem bestimmten Umfeld auf der Strasse, etwa im Drogenmilieu, kann es durchaus sein, dass eine gewisse Bevölkerungsgruppe mehr kontrolliert wird als andere. Dies, weil sie einfach häufiger Teil des entsprechenden kriminellen Umfelds ist. Es darf aber nicht sein, dass Bevölkerungsgruppen systematisch mehr kontrolliert werden.
Grundsätzlich muss ein Polizist bei einer Kontrolle einen gewissen Anfangsverdacht haben, dass eine Person deliktisch tätig ist. Wenn ich auf Patrouille dabei bin, stelle ich immer wieder fest, dass die Polizisten ein sehr gutes Gespür haben. Bei einer Fahrzeugkontrolle etwa findet man bei fast jedem, der herausgenommen wird, etwas. Das zeigt mir, dass das subjektive Gefühl, wo eine Kontrolle gerechtfertigt ist, relativ gut ausgeprägt ist.
Ich habe keine konkreten Zahlen dazu. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Personen gleichbehandelt werden und dass verdachtsbasiert kontrolliert wird. Ob kontrolliert wird, hängt vom Umfeld und der Situation ab. Die Hautfarbe allein spielt aber keine Rolle.
Vieles. Der augenfälligste Unterschied ist sicher die technologische Entwicklung. Nehmen wir wieder das Beispiel der Internetkriminalität. Auch ein Polizist am Schalter muss wissen, wie in einem solchen Deliktsfall zu reagieren ist. Bei der Polizei muss heute grundsätzlich jeder alles können. Das Spektrum der verlangten Fähigkeiten ist sicher breiter geworden.
Wir wollen keine Akademisierung des Polizeiberufs. Aber die Ansprüche sind sicher hoch. Das führt auch dazu, dass der Prozentsatz, den wir schliesslich rekrutieren, nicht sehr hoch ist.
Wir sind an einer Grenze angelangt. Viele Korps haben Mühe, Nachwuchs zu finden.
Auch im Baselbiet kann man in Ausnahmefällen als Ausländer Polizist werden. Im Rahmen des neuen Polizeigesetzes wird das momentan auch grundsätzlich diskutiert. Dass man in begründeten Fällen auch Ausländer anstellen kann, finde ich eine gute Regelung. Wir konnten so sehr gute Personen bei uns anstellen. Einer generellen Öffnung stehe ich aber kritisch gegenüber. Es geht auch immer um das Vertrauen der Bevölkerung.
Ich glaube nicht, dass jemand mit einem Gesichtstattoo grundsätzlich nicht befähigt ist, Polizist zu sein. Aber es geht schliesslich auch darum, welches Bild man von der Polizei in der Bevölkerung hinterlassen will.