Kunsthaus Baselland
Ein Sinnbild für das Leben im Exil: Der Esel, der Zebra spielen muss

Der Palästinenser Sharif Waked und die Vietnamesin Thu Van Tran thematisieren in zwei Einzelausstellungen ihr Schicksal im Exil.

Mathias Balzer
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Ein Esel steht unter der Dusche und wartet, bis die aufgemalten Zebrastreifen abgewaschen sind. Das Video von Sharif Waked zeigt die Nachstellung einer realen Begebenheit. 2009 wurde in dem vom Krieg zerstörten Zoo in Gaza dieses Ritual jeden Tag an zwei Eseln vollzogen. Morgens anmalen, abends abduschen. In die Kunst transferiert wird diese ­Aktion zum doppelbödigen Bild über Schein und Sein.

Das Kunsthaus Baselland widmet Sharif und der vietnamesischen Künstlerin Thu van Tran zwei Einzelausstellungen. Beide Künstler sind erstmals in der Schweiz zu sehen und beide teilen ein Schicksal: Sie leben fern ihrer Heimat. Sharif zog von ­Nazareth nach Kalifornien. Van Tran kam als Zweijährige mit ihren Eltern nach Frankreich. Beide Künstler suchen für diesen Zustand des Exils und die Fernsicht auf ihre jeweilige Heimat nach einer adäquaten Sprache.

Es ist nicht alles so wie es scheint

Der 56-jährige Sharif Waked findet diese, indem er Tradition und Gegenwart auf über­raschende Weise miteinander verbindet oder aufeinanderprallen lässt. Im Video «To Be Continued» liest ein ein junger Mann, verkleidet und eingebettet in das Setting islamischer Selbstmordattentäter aus einem Buch. Doch es ist kein Kampfmanifest, sondern «1001 Nacht». Die eigene Geschichten zu erzählen, wie Scheherzade es tut, um ihr Leben zu retten, könnte auch den jungen Mann und vielleicht uns alle vor der Auslöschung bewahren.

In grossformatigen Tuschzeichnungen zeigt uns der Künstler Arabesken – oder tut es vermeintlich. Durch die Handykamera betrachtet schimmern Worte unter dem Ornament hervor: «Aura», als Hinweis auf den Unterschied zwischen echter und reproduzierter Präsenz, «Settler», als Erinnerung an die unrühmliche Rolle radikaler jüdischer Siedler in Palästina. Oder «Balagan», ein Wort, das sowohl Israelis wie Palästinenser für «Chaos» brauchen.

Ein wippender Fuss der ägyptischen Gesangsikone Umm Kulthum, die Zerstörung mesopotamischer Kulturgüter oder ein Imagefilm des Museums in Mossul dienen dem Künstler als Folie für weitere ­Reflexionen über Tradition und Gegenwart. Das ist äusserst ­sehenswert, weil Sharif Waked nicht einfach anklagt oder simple Schuldzuweisungen im Drama um seine Heimat macht. Er kombiniert und hinterfragt, und tut dies mit einer Eigenschaft, die den Nahen ­Osten, neben dem «Balagan», eben auch auszeichnet: Humor.

Das geteilte Klavier als Symbol für Zerrissenheit

Auf ganz andere Weise richtet Thu Van Tran den Blick auf ihre Heimat. Die in Paris lebende 41-jährige Künstlerin stellt ein zweigeteiltes Klavier ins Museum, eine Hälfte aus billigem Holz, die andere reich verziert. Die darauf zu spielende Komposition ist fragmentarisch. Ein Sinnbild für die Zerrissenheit von Immigranten.

Am Boden der Ausstellungs­räume liegen Bronzeabgüsse verdorrter Blätter aus vietnamesischen Plantagen. Symbole für die Zerstörung durch Napalm im Krieg und die noch immer andauernde, kolonialistische Ausbeutung derselben. Den filigranen Skulpturen stellt die Künstlerin ebenso filigrane, aber monumentale Bleistiftzeichnungen zur Seite. Sie zeigen die Wolke, in der nach den Napalm-Bombardements ihre einstige Heimat verschwand.

Auf grossformatigen Fotogrammen erinnert die Künstlerin an vietnamesische Gastarbeiterinnen, die sich in Hongkong als Reinigungskräfte verdingen müssen. Auch bei Thu Van Tran sind es ernste Inhalte. Nicht humoristisch, dafür sehr poetisch umspielt.

Thu Van Tran und Sharif Waked
Kunsthaus Baselland, bis 15. November.

www.kunsthausbaselland.ch