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Noch selten hat eine Verkehrsabstimmung im Baselbiet ein derart laues Echo ausgelöst wie die kommende vom 27. September.
Zwar haben im Landrat Verkehrs- und Umweltlobby ordnungsgemäss die Klingen gekreuzt. Zwar fiel das dortige Abstimmungsergebnis entsprechend knapp aus. Zwar bilden an den Kandelabern die leuchtend gelben Nein-Plakate den Kontrast zu den blau unterlegten Ja-Parolen. Dennoch schwappen deswegen nirgends die Emotionen über.
Das hat seinen Grund. Deutsch und deutlich: Es darf in aller höchstem Masse bezweifelt werden, ob im Baselbiet bei einem Ja ein Autobahn-Kilometer mehr und bei einem Nein einer weniger gebaut wird. Auch die eifrigsten Befürworter können nicht den Eindruck entkräften, dass es sich bei Abstimmung über die Gesetzesvorlage «zum Ausbau des Hochleistungsnetzes» um einen Papiertiger handelt. Entsprechend sparsam gehen linke und rechte Politikerinnen und Politiker mit dem Einsatz von Verve und Abstimmungsbudgets um, was wiederum auf das Stimmvolk abfärbt.
Das liegt nicht nur an der inzwischen erfolgten Übergabe der kantonalen Autobahnen an den Bund. Formulierungen in der Initiative wie die angestrebte «möglichst rückstaufreie Aufnahme des Verkehrs aus dem mit dem Hochleistungsstrassennetz verbundenen öffentlichen Strassennetz» und die Beseitigung «bestehender Engpässe» sind Selbstverständlichkeiten. Exakt dieselben Entlastungsziele verfolgen zuständige kantonale und Bundesämter schon längst, ebenso die Baselbieter Regierung; nur leider kollidieren diese hehren Absichten mit der steten Zunahme der Motorfahrzeuge auf den Strassen.
Deshalb werden landauf, landab Modellszenarien zur Verkehrszukunft gewälzt und die verbliebenen Quäntchen möglicher Optimierungspotenziale aus dem bisherigen Autobahn- und Schnellstrassennetz gepresst. Jüngst sind auf der A2 Pannenstreifen zu zusätzlichen Aus- und Einfahrspuren ummarkiert worden. Gemeinden wie Birsfelden, die vom Ausweichverkehr überrollt wurden, haben mittels Durchfahrtbeschränkungen zur Selbsthilfe gegriffen.
Für die grossen regionalen Entlastungsprojekte wie den A2-Rheintunnel und den Achtspur-Ausbau zwischen Augst und Hagnau sind die Planungskredite bereits gesprochen. Geradezu absurd ist die Vorstellung, ausgerechnet eine Änderung des Baselbieter Strassengesetzes würde nun den grossen Durchbruch hin zu irgendwelchen noch unbekannten Wunderprojekten darstellen, welche die Region Basel in eine staufreie Zukunft führen.
Ähnlich überflüssig erscheint das gesetzliche Festschreiben von verstärktem Lobbying der kantonalen Behörden beim Bund. Der permanente Austausch in Verkehrsfragen mit Nachbarkantonen und Bund ist auf zahlreichen Kanälen etabliert. Wenn Entlastungsprojekte wie der Muggenbergtunnel im Ständerat eine Abfuhr erleiden, dann nicht wegen des fehlenden Einsatzes unserer Politik in Bern, sondern wegen Uneinigkeit und/oder Desinteresse in der Region.
Das für die Planung verantwortliche Bundesamt für Strassen Astra hat inzwischen ein feines Sensorium dafür entwickelt, um umstrittene Projekte einen weiten Bogen zu machen und so seine Planungsressourcen zu schonen. Auf der Prioritätenliste des Astra rücken nur jene Ausbauwünsche auf die vordersten Plätze, hinter denen der ungeteilte und glaubwürdig vermittelte Leidensdruck einer ganzen Region steht.
Allerdings wirken, das sei an dieser Stelle betont, auf der Gegenseite die Einwände genauso bemühend, diese Gesetzesvorlage würde den nicht motorisierten und öffentlichen Verkehr sabotieren. Dass die Weiterentwicklung und Planung von öffentlichem und Strassenverkehr Hand in Hand gehen müssen, um den nach wie vor steigenden Mobilitätsansprüchen gerecht zu werden, ist nun wirklich keine visionäre Utopie mehr, sondern verkehrsplanerischer Alltag. Genauso wenig wie bei einem Ja kein Strassenkilometer zusätzlich gebaut, wird wegen dieser Strassengesetzesänderung auch kein öV-Kurs gestrichen werden.
Spielt es also gar keine Rolle, ob man zu dieser Vorlage Ja oder Nein sagt? Nicht ganz. Es gibt ein Argument, das für eine, wenngleich emotionslose Annahme spricht: Die Stausituation in der Region ist real und für viele Berufstätige äusserst belastend. Realisierte Ausweichbauten wie die A22 und der Chienbergtunnel haben die Lebensqualität angrenzender Gemeinden eindeutig verbessert.
Wenn also diese Abstimmung zumindest eine Signalwirkung entfaltet, dann kann das gesetzte Zeichen genauso gut zugunsten künftiger Entlastungsprojekte ausfallen.