Der älteste Anhänger
FCB-Fan Fritz Epple startet in seine 72. Saison

Seit 1947 pilgert der Liestaler Fritz Epple an die Spiele des FC Basel. Mit knapp 93 ist er wohl der älteste Jahreskartenbesitzer.

Hans-Martin Jermann
Drucken
Er war beim ersten Meistertitel des FCB 1953 und auch beim vorerst letzten im Jahr 2017 live dabei: Fritz Epple in seiner Liestaler Genossenschaftswohnung.

Er war beim ersten Meistertitel des FCB 1953 und auch beim vorerst letzten im Jahr 2017 live dabei: Fritz Epple in seiner Liestaler Genossenschaftswohnung.

Juri Junkov

Wenn heute Abend im St. Jakob-Park der FCB gegen St. Gallen in die neue Saison startet, dann sitzt auch Fritz Epple im Stadion. Der Liestaler feiert im August seinen 93. Geburtstag und ist damit wohl der älteste Jahreskartenbesitzer im Joggeli.

Epple ist im Baselbiet einer breiten Öffentlichkeit bekannt: Er ist der älteste noch lebende ehemalige Landratspräsident. Neben dem Kantonsparlament politisierte er viele Jahre im Liestaler Einwohner- sowie im Stadtrat. Und er gründete 1949 mit Freunden den SC Liestal.

Über das vielseitige Wirken des SP-Politikers und ehemaligen Leiters der kantonalen Schul- und Büromaterialverwaltung könnte man ein Buch schreiben. Doch darum geht’s hier nur am Rande. Im Vordergrund steht der FCB-Fan Fritz Epple.

FCB auf dem Landhof miterlebt

Seinen Platz hat er im Sektor A, Reihe 24, Platz 201. Hier sitzen die Gutbetuchten und Gutvernetzten. «Das Live-Ambiente und die Begegnungen im Stadion kann Teleclub nicht bieten», sagt Epple. Der Pensionär ist geistig und körperlich in beneidenswerter Verfassung. Von seiner Genossenschaftswohnung in Liestal fährt er im Bus, Zug und Tram zum Joggeli, gemeinsam mit der Tochter.

Um dem Massenauflauf zu entgehen, verlässt er das Stadion Minuten vor Spielschluss. Die An- und Heimfahrt seien für ihn in den letzten Jahren beschwerlicher geworden, räumt Epple ein. Mühe bereitet ihm etwa das Überqueren des unübersichtlichen Centralbahnplatzes. «Ich kann mein Alter nicht abstreifen. Doch solange es mir möglich ist, gehe ich ins Stadion», sagt Epple. Vergangene Saison hat er bloss wenige Abendspiele im November und Dezember verpasst.

Fritz Epple ist einer von nicht mehr vielen lebenden Fans, die den FCB einst auf dem Landhof im Wettstein-Quartier spielen sahen. Mit dem legendären «Goldfüsschen» Seppe Hügi, Spielertrainer René Bader, dem Birsfelder Walter Müller und dem Liestaler Hans Weber. Mit dieser Regionalauswahl wurde der FCB 1953 zum ersten Mal Schweizer Meister.

Ab 1947 war Epple jeden zweiten Sonntag auf dem Landhof anzutreffen – auch weil er viele damalige Protagonisten wie Hügi aus dem Aktivdienst persönlich kannte. Im Gegensatz zu vielen älteren FCB-Fans hat Epple die «Ära Benthaus», die erste goldene Epoche in den 60er- und 70er-Jahren, eher am Rande miterlebt.

Erst im Frühling 2001 entdeckte er seine alte Liebe neu: Er wurde zum ersten Spiel im neuen Joggeli (Basel – Lausanne) eingeladen. Da zog es Epple den Ärmel rein – seither ist er stolzer Jahreskartenbesitzer.

Epple hatte sich in den Jahrzehnten zuvor in der Leichtathletik engagiert. Als Verbandsfunktionär und freier Journalist reiste er an die Olympischen Spiele 1972 in München und 1980 in Moskau. Er feuerte die Schweizer Athleten im Luschniki-Stadion an – an der gleichen Stätte, wo Frankreich am letzten Sonntag Fussballweltmeister wurde.

Zur Vereinnahmung der WM durch Präsident Putin und zur Kritik des Westens sagt Epple: «Ich bin gegen jede Verpolitisierung des Sports.» Zugleich ist er überzeugt, dass jede internationale Sportveranstaltung positive Begegnungen schaffe und integrierend wirke.

Epple erinnert sich gerne an die alten Zeiten, will aber nicht einer jener Rentner sein, die in der Vergangenheit leben: «Auch wenn meine Tage gezählt sind, so denke ich viel öfter an die Zukunft», sagt Epple.

Vor allem aber zählt für den 92-Jährigen das Hier und Jetzt – auch als FCB-Fan. Aktuell beschäftigt ihn die Debatte um Raphael Wicky. Dass einige Medien den FCB-Trainer bereits zum Saisonstart wegschreiben, hält er für einen «Blödsinn». Wicky sei kein Blender und äussere sich in den Medien nicht immer verständlich. «Doch das sollte das Urteil nicht zu stark beeinflussen», sagt Epple mit der jahrzehntelangen Erfahrung als Politiker, Sportfunktionär und Journalist.

Epple verteidigt Trainer Wicky

Epple ist überzeugt: Mit seiner Erfahrung in deutschen und spanischen Vereinen sowie als Nationalspieler sei Wicky der Richtige, um die aktuelle «Multikulti-Equipe» anzuführen. «Die Sprache und die Kommunikation im Team sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor.» Dies seien Stärken des Wallisers. Zudem identifiziere sich Wicky mit der Stadt und dem Verein stärker als mancher Vorgänger: «Er lebt im Gundeli und geht im Quartierladen um die Ecke einkaufen. Das sind Indizien, die mich in meiner positiven Meinung bestärken.»

Der Sportliebhaber und Kenner hält zu jedem Thema und jeder Personalie rund um den FCB eine pointierte Antwort parat. Was sagt er zur Rückkehr von Zdravko Kuzmanovic? «Sollte er aus seiner Überheblichkeit keine Lehren gezogen haben, wird er scheitern.» Und zum bisher bescheidenen Erfolg von Sportchef Marco Streller? «Er muss noch strukturierter arbeiten. Aber dieses Defizit kann er aufholen.»

Dem Klischee, Fussballer seien eher einfältige Zeitgenossen, widerspricht Epple vehement: «Viele verfügen vielleicht nicht über den klassischen schulischen Rucksack. Mit der Lebensschule, welche die Fussballer absolvieren, haben sie aber vielen etwas voraus.» Diese Aussage kommt nicht von ungefähr, ist Epple doch selber kein «Studierter». Der gelernte Coiffeur arbeitete sich auf der Karriereleiter peu à peu hoch. Er verpasste einst knapp die Wahl zum 2. Landschreiber des Kantons Baselland, was ihn sehr schmerzte, doch brachte er es später bis zum Vorsteher der Schul- und Büromaterialverwaltung.

Die gute Staatsstelle ermöglichte ihm eine «anständige» Pension und das Reisen mit dem geliebten FCB. Seine Ehefrau ist bereits vor vielen Jahren verstorben. 36 Mal hat Epple das Team bisher zu Champions- und Europa-League-Spielen begleitet. Und dabei viele Spieler persönlich kennen gelernt. Besonders beeindruckt haben ihn Ivan Ergic («ein Philosoph!») und der in Sissach wohnhafte Gilles Yapi («ein tiefgründiger Mensch»). Epple besuchte mit dem FCB fast alle grossen Adressen des europäischen Fussballs. London, Manchester, Barcelona, Paris. Doch eindrücklicher waren für ihn die Reisen in die Fussball-Provinz, ins norwegische Molde etwa oder nach Baku in Aserbaidschan. Im hohen Alter tritt der Fan nun auch bei den Auslandfahrten kürzer. Zumindest etwas: «Ich reise nur noch an jene Destinationen mit, an denen ich noch nie war.»
Träumt von Madrid-Reise
Einen Traum möchte er sich noch erfüllen: ein FCB-Spiel im Estadio Santiago Bernabéu, der Kathedrale Real Madrids. Als sein Verein 2014 das erste und letzte Mal in der Champions League bei Ronaldo und Co. zu Gast war, weilte Epple in den Ferien. Wer weiss, vielleicht kann der rüstige Rentner die Madrid-Reise bereits in den kommenden Monaten nachholen. Doch dazu muss der FCB die Champions-League-Quali überstehen. Bereits in den nächsten Tagen und den Spielen gegen PAOK Saloniki wissen wir mehr. Sollte es nicht klappen, bietet sich 2019 eine neue Chance – sofern der FCB in der anlaufenden Saison mindestens Vizemeister wird und Epple mit dannzumal 94 noch gut auf den Beinen ist. Die positiven Lebensgeister Epples sagen: Beides sollte machbar sein.