Steuervorlage 17
Finanzdirektor Anton Lauber: «Wir leben im Baselbiet nicht auf einer Insel»

Der zuständige Regierungsrat Anton Lauber verteidigt die Steuervorlage 17. Die Bevölkerung profitiere im selben Ausmass wie die Firmen. Herr Lauber gibt ausführlich Auskunft zu diesem Thema in einem Interview mit der bz.

Hans-Martin Jermann
Drucken
«Die Baselbieter Vorlage ist ausgewogen», ist Finanzdirektor Anton Lauber überzeugt.

«Die Baselbieter Vorlage ist ausgewogen», ist Finanzdirektor Anton Lauber überzeugt.

Juri Junkov

Das Feilschen um Zahlen ist in vollem Gange. Das Nein-Komitee um die SP behauptet, die Steuervorlage 17 (SV 17) führe im Baselbiet zu Mindereinnahmen von 61 Millionen Franken pro Jahr. Ihr Kommentar?

Anton Lauber: Wie das Komitee auf diese Zahlen kommt, kann ich nicht nachvollziehen. Regierung und Landrat rechnen für 2025 mit Mindereinnahmen von 47 Millionen Franken für Kanton und Gemeinden. Abzüglich der Ausgleichszahlungen des Bundes reden wir von 16 Millionen, davon entfallen 6 Millionen auf die Gemeinden. Diese Berechnungen haben für mich eine hohe Glaubwürdigkeit. Ihnen liegt ein leichtes Wirtschaftswachstum zugrunde, wie es in den vergangenen zehn Jahren stattgefunden hat. Es gibt keinen Grund, diese Annahmen infrage zu stellen.

Liestal rechnet für 2020 mit Mindereinnahmen von 2,4 Millionen Franken. Diese seien hauptverantwortlich fürs Defizit im Stadtbudget.

Die Gemeinden sind sehr unterschiedlich von der SV 17 betroffen. Ich verweise auf Reinach, Allschwil, Pratteln, Birsfelden, Münchenstein und Therwil. Diese und andere Gemeinden stehen klar für die SV 17 ein. Sie wissen, wie wichtig es ist, dass international tätige Firmen mit hoher Wertschöpfung hier bleiben und weiterhin investieren. Einige Gemeinden leisten einen zweistelligen Millionen-Betrag pro Jahr in den kantonalen Finanzausgleich. Liestal hat nicht erst seit gestern finanzielle Probleme. Die SV 17 kann nicht als alleinige Ursache dafür herhalten. Die künftige Entlastung Liestals durch den Finanzausgleich ist in der Berechnung nicht berücksichtigt. Bei mir hat sich bisher keine Gemeinde gemeldet mit dem Hinweis, die SV 17 sei so nicht finanzierbar.

Die kantonale Umsetzung der Steuervorlage ist für den Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber neben der – mittlerweile gelungenen – Sanierung des Staatshaushalts das wichtigste Geschäft seiner Amtszeit – und eines der langwierigsten: Im Februar 2017 scheiterte in der eidgenössischen Abstimmung die Vorgängervorlage Unternehmenssteuerreform III klar. Mit dem Ja des Schweizer Volks zur kombinierten AHV-Steuervorlage am 19. Mai ist das Fundament gelegt für die Umsetzung im Baselbiet. Diese hiess der Landrat am 6. Juni mit 57 Ja- gegen 23 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen gut. Weil das Vierfünftelmehr verfehlt wurde, kommt es am 24. November zur Volksabstimmung.

Kann sich der Kanton die SV 17 leisten?

Ja, natürlich. Wir haben uns die letzten sechs Jahre darauf vorbereitet. Im Aufgaben- und Finanzplan sind in den kommenden Jahren durchweg schwarze Zahlen vorgesehen. Die Überschüsse steigen nach 2020 sogar an. Mindererträge und Zusatzaufwendungen durch die SV 17 sind bereits eingerechnet. Anders als von den Gegnern behauptet gibts kein Finanzloch.

Die Debatte dreht sich um den Gewinnsteuersatz. Weshalb müssen es 13,45 Prozent sein? Mit 14,2 Prozent hätte man die Opposition der SP vermeiden können.

Wir leben im Baselbiet nicht auf einer Insel. Die Kantonsgrenzen können leicht überschritten werden. Deshalb sind wir auf ein attraktives Umfeld für Firmen angewiesen. Basel-Stadt hat mit einem Gewinnsteuersatz von 13,04 Prozent eine deutliche Marke gesetzt. In Basel-Stadt – bekanntlich kein stramm bürgerlicher Kanton – ist den Verantwortlichen bewusst, welche Bedeutung die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit im heutigen Umfeld hat. Es ist ein Trugschluss zu meinen, mit einem höheren Steuersatz würden die Einnahmen linear ansteigen.

Weil bei einem Satz über 14 Prozent Firmen abwandern?

Ja, vor allem Firmen mit grosser Wertschöpfung würden reagieren. Man muss gar nicht das Schreckgespenst von Zügelwagen und leeren Büros bemühen. Die international tätigen Firmen werden bei einem aus ihrer Sicht zu hohen Steuersatz Forschungs- und Entwicklungsprojekte an einem anderen ihrer internationalen Standorte durchführen und die daraus generierten Erträge anderswo versteuern. Wir haben intensive Gespräche mit den betroffenen Firmen geführt und bei der Festsetzung des Satzes ihre Bedürfnisse berücksichtigt. Ebenfalls eine Rolle spielten die Wettbewerbsfähigkeit des Kantons und die Ergiebigkeit der Steuereinnahmen zur Finanzierung des Staatshaushalts. Das Ergebnis sind 13,45 Prozent.

In Solothurn hat der Kantonsrat gestern einen Satz von 15 Prozent abgesegnet. Es geht also auch anders.

Achtung: Der Gewinnsteuersatz ist nur die halbe Wahrheit. Die Unternehmen können in den Kantonen unterschiedlich hohe Abzüge machen aus der Patentbox und für Forschung und Entwicklung. Zudem ist die maximale Entlastung von Kanton zu Kanton unterschiedlich geregelt. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte landet Baselland letztlich bei einem minimalen Gewinnsteuersatz von 10,73 Prozent, in Basel-Stadt sind es 11,03 Prozent, in Solothurn rund 10,4 Prozent. Letztlich liegen also alle Nordwestschweizer Kantone nahe beisammen. Von einer übermässigen Senkung kann keine Rede sein. Die Baselbieter Vorlage ist sehr ausgewogen. Die Nordwestschweiz wird dank der SV 17 hochattraktiv für Unternehmen. Baselland wird punkto Standortattraktivität auf Rang 5 der Kantone vorstossen.

Mit höherem Steuersatz solls im zweiten Anlauf klappen

Entscheid in Solothurn

Der Kantonsrat hat gestern mit 85 zu 1 Stimme bei sechs Enthaltungen eine zweite, moderatere Umsetzung der Steuervorlage 17 (SV 17) gutgeheissen. Die von der Regierung nach dem knappen Volks-Nein am 19. Mai erarbeiteten Änderungen in drei kantonalen Gesetzen wurden allerdings von der Finanzkommission noch stark verfeinert. Es handle sich nun um ein austariertes Paket, sagte Kommissionspräsidentin Susanne Koch Hauser (CVP, Erschwil) gestern im Parlament. Dieses nahm denn auch keine Änderungen mehr vor. Zu gross war die Angst, dass das Paket im politischen Seilziehen auseinanderfallen könnte.

Der Gewinnsteuersatz für Kapitalgesellschaften wird von bisher 5 Prozent bis 100'000 Franken Reingewinn respektive 8,5 Prozent für den restlichen Reingewinn auf generell 4,4 Prozent gesenkt. Dies entspricht einem durchschnittlichen Gewinnsteuersatz von 15 Prozent. In der ersten Vorlage war im Sinn einer Vorwärtsstrategie ein Satz von 13 Prozent vorgesehen. Für die natürlichen Personen enthält die nun genehmigte Vorlage Entlastungen in der Höhe von 10 Millionen Franken. Das Solothurner Volk wird voraussichtlich am 9. Februar 2020 erneut abstimmen. Am 19. Mai schickte dieses die kantonale Umsetzung der SV 17 mit einem Nein-Stimmenanteil von 51,4 Prozent bachab, hiess aber gleichzeitig die nationale AHV-Steuervorlage mit 58,6 Prozent gut. (sda/bz)

Die Befürchtungen sind verbreitet, wonach mit der SV 17 – mal wieder – die Firmen profitieren und die Bevölkerung die Zeche zahlt.

Diese Befürchtungen sind unbegründet. Die Statusgesellschaften, deren Privilegien wegfallen, bezahlen künftig höhere Steuern. Die KMU profitieren von der Gewinnsteuersenkung. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Kantone für alle Firmen einen einheitlichen Steuersatz festsetzen müssen. Hinzu kommt, dass die Unternehmen via Bundesvorlage im Baselbiet 30 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich zur AHV-Finanzierung beisteuern. Das entspricht weitgehend den Entlastungen für die Firmen. Es ist falsch, wenn im Abstimmungskampf Bevölkerung und Unternehmen gegeneinander ausgespielt werden. Als Finanzdirektor ist es mir ein Anliegen, die Vorlage so auszugestalten, dass sie für einen möglichst hohen Anteil der Bevölkerung interessant ist. Das ist Regierung und Parlament gut gelungen.

Weil die Vorlage höhere Prämienverbilligungen und einen höheren Kinderbetreuungsabzug vorsieht? Diese Abzüge seien zu gering, monieren Kritiker.

Für diese sozialpolitischen Massnahmen, die ich ausdrücklich begrüsse, wendet der Kanton künftig 19 Millionen Franken pro Jahr auf. Das ist ein namhafter Betrag. Die Familien und Wenigverdienenden werden die Erhöhung ihrer Prämienverbilligung deutlich spüren. Ich distanziere mich von der Behauptung, man wolle die Bevölkerung mit Brosamen abspeisen.