Katerstimmung
Folgen eines Oktoberfests: Wirtin und SVP-Landrätin erhält empfindliche Busse

Es herrscht Katerstimmung nach dem Oktoberfest. Die Röschenzer Wirtin und SVP-Landrätin Jacqueline Wunderer wird wegen Nachtruhestörung zu Busse verknurrt. Die Busse markiert den Tiefpunkt in einem jahrelangen Streit zwischen der Politikerin und den Anwohnern.

Hans-Martin Jermann
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Jacqueline Wunderer (l.) verteidigt das Oktoberfest: «Wir sind keine Knille, die jeden Tag Rambazamba macht.»

Jacqueline Wunderer (l.) verteidigt das Oktoberfest: «Wir sind keine Knille, die jeden Tag Rambazamba macht.»

Zur Verfügung gestellt

Seit Jahren ist in Röschenz ein erbitterter Nachbarschaftsstreit im Gange zwischen SVP-Landrätin Jacqueline Wunderer, Wirtin des Restaurants Sonne, sowie mehreren Anwohnerfamilien: Deren Lärmklagen, die damit verbundenen Journaleinträge der Polizei, Lärmgutachten, Protokolle von Mediationen sowie der Schriftverkehr zwischen den Anwälten füllen bereits mehrere Bundesordner mit rund 1000 (!) Seiten Papier.

Erstmals ist «Sonne»-Wirtin Wunderer vom Röschenzer Gemeinderat gebüsst worden. Dies aufgrund eines Vorfalls vom 5. Oktober: Nachdem sich ein Anwohner kurz nach 22 Uhr über Nachtlärm beschwert hatte, zogen die angerückten Baselbieter Polizisten dem Oktoberfest im Festzelt neben der «Sonne» den Stecker. Zudem erstatteten sie Anzeige an den Gemeinderat. Dessen Bussenausschuss hat Wunderer nun zu einer Busse von 1000 Franken verknurrt, wie Recherchen der «Schweiz am Wochenende» ergeben. Wegen Nachtruhestörung – und weil es die Beizerin versäumt hat, vorgängig eine Lautsprecher-Bewilligung einzuholen.

Wunderer wird die Busse anfechten

Jacqueline Wunderer bestätigt auf Anfrage den Erhalt der Busse – und will diese anfechten. «Wir haben der Aufforderung der Polizei um 22.30 Uhr, die Musik abzustellen, sofort Folge geleistet – das ist im Polizei-Journal festgehalten.» Eine Verwarnung wäre angemessen gewesen. «Ich war selber 30 Jahre Polizistin und weiss: Es ist gang und gäbe, dass die Polizei nachts in Restaurants gerufen wird.» Am vergangenen Wochenende habe in der Turnhalle ein Guggenkonzert stattgefunden – mit Lärm bis weit in die Nacht. Solche Anlässe müssten in Röschenz in vernünftiger Kadenz möglich sein, findet Wunderer. Das Oktoberfest sei der erste Grossanlass in der «Sonne» seit Jahren gewesen – und Monate im Voraus angekündigt.

Für Wunderer ist klar: «Die Reaktion der Anwohner ist überrissen. Wir sind keine Knille, die Tag für Tag Rambazamba macht.» Eine Freinacht-Bewilligung lag vor, allerdings regelt diese den Getränke-Ausschank; eine Lizenz zum Lärmen ist sie nicht. Dass sie keine Lautsprecher-Bewilligung eingeholt habe, räumt Wunderer ein. Doch sie sagt: In Röschenz sei seit Jahren keine solche Bewilligung mehr ausgestellt worden; auch für Anlässe nicht, an denen Lautsprecher im Einsatz waren. Die Verfügung des Ausschusses, dem ausschliesslich CVP-Gemeinderäte angehören, ist nach Ansicht der SVP-Frau politisch motiviert und in der Höhe unverhältnismässig. Wunderer sitzt ebenfalls im Gemeinderat.

Gemeindepräsident Remo Oser (CVP) nimmt zur Busse nicht Stellung: «Das ist kein öffentliches Geschäft.» Den Vorwurf, parteiisch zu sein, weist er zurück: Der Gemeinderat habe von Anfang an auf Dialog gesetzt und in der Folge ein Mediationsverfahren beschlossen. Interessant ist: Nicht «nur» Wunderer ist unzufrieden, sondern auch die Gegenseite. Die Anwohner deckten den Gemeinderat mit aufsichtsrechtlichen Anzeigen ein. Der Rat stecke in diesem heiklen Geschäft den Kopf in den Sand, sagen sie.

Im ersten Fall büsste der Gemeinderat nicht

Der Anwohner, der am 5. Oktober die Polizei gerufen hatte, schüttelt den Kopf über die Aussagen Wunderers: «Wenn das Oktoberfest wirklich ein einmaliger Vorfall gewesen wäre, so hätten wir wohl ein Auge zudrücken können.» Das Problem sei, dass die Ruhezeiten in den letzten Jahren unzählige Male verletzt worden seien; dies belegten Journaleinträge der Polizei sowie Lärmmessungen. Zudem wurde Wunderer am 5. Oktober nicht zum ersten Mal verzeigt. Bereits am 31. August 2019 stellte die Polizei im Rahmen einer Hochzeitsfeier eine Nachtruhestörung fest. Hier hat der Gemeinderat aber auf eine Busse verzichtet. Der entsprechende Polizeibericht ist widersprüchlich: «Der Lärm wurde durch uns nicht als übermässig laut empfunden.» Beide Verzeigungen liegen dieser Zeitung vor.