Muttenz
Geist kommt vor Geld: Heimatschutz diskutiert über Umnutzung der Kirchen

Kiosk? Geburtshaus? Sterbehospiz? Der Baselbieter Heimatschutz lud zur Diskussion ein. Dabei ging es um die Umnutzung der Kirchen.

Andreas Hirsbrunner
Drucken
Der Heimatschutz Baselbiet diskutiert über die Umnutzung der Kirche. (Archivbild)

Der Heimatschutz Baselbiet diskutiert über die Umnutzung der Kirche. (Archivbild)

Benjamin Wieland

Geld und Geist. Dieses Spannungsfeld machte der Baselbieter Heimatschutz zum Thema seines diesjährigen Forums für Baukultur. Konkret ging es um den Umgang mit Kirchen und ihrer Umgebung bei Umnutzungen. Dazu lud der Heimatschutz am Freitagabend zwei Pfarrer und zwei Architekten zur Diskussion in die Muttenzer St. Arbogast-Kirche ein. Rund 40 Personen, darunter Fachleute aus Architekturkreisen und Denkmalpflege, folgten dem munteren Gespräch unter Leitung von bz Baselland-Redaktionsleiter Hans-Martin Jermann.

Aufgetischt wurden aber nicht fertige Rezepte, wie nicht mehr gebrauchte Kirchen und Annexgebäude neu genutzt und angrenzende, ehemalige Pfarrmatten bebaut werden können. Vielmehr glich die Diskussion einem vorsichtigen Herantasten, in welche Richtungen Lösungen gehen könnten. Die Basler Theologin Rosmarie Brunner skizzierte ein paar Beispiele: Ein Pfarrhaus kann zu einem Geburtshaus werden, auf einen nicht mehr benötigten Friedhofteil kann ein Sterbehospiz samt Café zu stehen kommen, Kirchen können zu einem Ort «für alle HD-Läpplis dieser Welt», zu einem Nachbarschaftstreff oder zur Gassenküche werden. Sie will aber Sakralbauten nicht den neuen Heiligen wie etwa dem «Heiligen Max der Gewinn-Max-imierung» opfern, wie sie augenzwinkernd zu verstehen gab. Brunner betonte: «Kirchen sind besondere Räume. Ihre Umnutzung muss pietätvoll sein.»

Ihr Berufskollege, Industriepfarrer Martin Dürr, öffnete den Fächer und meinte, dass zumindest Kirchenteile zu Postfilialen oder Kiosken werden könnten. Wo aber genau die Grenzen einer Kirchenumnutzung liegen, mochte niemand auf dem Podium abstecken. Brunner: «Jedes Dorf hat andere Bedürfnisse. Das kann man nicht so absolut sagen.» Und Dürr: «Es gibt eine brutale ökonomische Realität: Die Kirche kann ihre Räume nicht erhalten. Deshalb will ich nichts ausschliessen.» Denkbar seien auch Baurechtsverträge mit Zwischennutzungen, denn vielleicht änderten die Zeiten wieder.

Vom Schraubenlager zum beliebten Festort

Hier hakte der Laufentaler Architekt Markus Jermann ein. Die Schloss-Kapelle in Zwingen sei «brutal» umgenutzt worden, habe über Generationen als Schraubenlager gedient. Seit ihrer Renovation sei sie ein beliebter Ort für Taufen und Hochzeiten. Kirchen sollten so eingerichtet werden, dass sie einfach umgenutzt werden können, gerade für Feste. Die Grenzen: «Man darf nicht wegen des Geldes die ganze Identität von Kirchen und ihrem Umfeld kaputt machen.»

Elementar sei der Übergang von Profanem zum Mysterium Kirche. Hier könne man mit qualitätslosen Neubauten enorm viel zerstören. Etwas, was die Münchensteiner Architektin Corinne Schweizer unterschreiben kann: «Qualität muss wichtig sein. Wir erhalten immer wieder Anfragen für Nutzungskonzepte und es gibt etliche Möglichkeiten. Eine Kirche bleibt aber eine Kirche.»

Praktisch alle auf dem Podium betonten einen zentralen Punkt: Bei Transformationsprozessen muss die Bevölkerung möglichst früh miteinbezogen werden. Dürr sieht sich und Konsorten dabei auch als Entschleuniger: «Prozesse in der Kirche brauchen länger. Wir müssen der Sand im Getriebe der Zeit sein und nicht die unheimliche Geschwindigkeit in der Wirtschaft mitmachen.»