Im diesjährigen eidgenössischen Wahlkampf war die Frage nach der gleichmässigen Vertretung der Geschlechter zentral. Während im Landrat und Nationalrat Fortschritte verzeichnen konnten, bleibt der Frauenanteil in Gemeindeexekutiven sehr gering.
«Gemeinderat mag die Frauen nicht.» So hiess ein Leserbrief, der in der vergangenen Ausgabe des «Wochenblattes» abgedruckt wurde. Die zwei Autorinnen, Margareta Bringold und Sandra Rieder, kritisieren dabei, dass seit acht Jahren nur Männer im Wahlener Gemeinderat sitzen. Am 8. Februar 2020 treten vier von fünf zur Wiederwahl an.
Was Bringold und Rieder dem Gemeinderat vorwerfen, ist eine fehlende Motivation, den abtretenden Kollegen durch eine Frau zu ersetzen. Die zwei Einwohnerinnen der Laufentaler Gemeinde schreiben, dass der Gemeinderat plane, «in stiller Wahl wieder einen Mann in das Gremium zu wählen». Dies, obwohl «auch konkret wählbare und engagierte Frauen konkret Interesse bekundet haben», beklagen sie. Dabei hatte Margareta Bringold, die sich lokal für die Grünliberalen engagiert, sich bereit erklärt, bei der Suche nach Kandidatinnen zu helfen. Der Gemeinderat habe das lieber auf eigene Faust unternommen und «keine Frau gefunden, die ins Team passen würde», erklärt Margareta Bringold auf Anfrage der bz. Dabei kann sie sich nicht vorstellen, dass die Herren bei 500 stimmberechtigten Frauen in der Gemeinde niemanden finden konnten.
Im Leserbrief ruft Bringold zu weiblichen Kandidaturen auf und hofft, bis Ende der Eingabefrist am 23. Dezember eine Kandidatin stellen zu können. Die Situation des Dorfes Wahlen bezüglich Frauenanteil in der Exekutive ist kein Einzelfall. In elf Gemeinden des Baselbietes wird die Bevölkerung nur von Männern regiert. In 30 Gemeinderäten sitzt nur eine Frau unter Männern.
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Und nur sieben Gemeinden haben eine Frauen-Mehrheit in der Exekutive. Insgesamt beträgt der Frauenanteil in den 86 Baselbieter Gemeinderäten 28,4 Prozent. Das ist weitaus tiefer als im Regierungsrat, wo mit Monica Gschwind und Kathrin Schweizer immerhin zwei Frauen in der Regierung sitzen (40 Prozent). Das ist auch tiefer als in den kantonalen und nationalen legislativen Organen: Im Landrat werden 38,9 Prozent der Sitze von Frauen belegt, während im Nationalrat sogar fünf von sieben Mitgliedern weiblich sind.
Die nebenstehende Kurve zeigt, dass der Frauenanteil in Gemeinderäten seit etwa 1996 stagniert und teilweise gar abnimmt, während der Anteil im Landrat zwar langsam, aber stetig zunimmt. Im schweizweiten Vergleich ist die Baselbieter Situation ebenfalls kein Einzelfall: Gemäss Zahlen des Städteverbands und des Bundesamtes für Statistik beträgt der Anteil von Frauen in Stadträten 27,4 Prozent.
Cloé Jans, Politikwissenschaftlerin beim Forschungsinstitut gfs.bern zeigt sich wenig erstaunt. Exekutive Gremien hätten es allgemein schwieriger, einen ausgewogenen Frauenanteil zu erreichen als legislative Organe, wie sie der bz erklärt. Grund dafür sei vor allem der Fakt, dass exekutive Ämter durch Majorzwahlen besetzt werden. «Bei einer solchen Mehrheitswahl muss man über sein eigenes Parteilager hinaus mobilisieren und überzeugen können», erklärt sie. Dafür müsse man sich ein spezifisches, politisches Profil erarbeiten. «Bei Majorzwahlen wählt man eine Person, ein Gesicht.» Bei dieser Profilierung der eigenen Person und Sache hätten die Männer gegenüber den Frauen einen Vorteil. «Tendenziell fühlen sich Männer wohler dabei.» Tatsächlich sei die Politik eine traditionelle Männerdomäne, in der Frauen immer noch nicht komplett durchgedrungen sind. «Dafür braucht es eine langfristige Aufbauarbeit», erklärt Cloé Jans.
Das bestätigt Jana Wachtl von der kantonalen Fachstelle für Gleichstellung: «Ausschlaggebend sind ausgewogene Wahllisten. Bei den Nationalratswahlen haben die Baselbieter Parteien 44 Prozent Kandidatinnen gestellt.» Das Problem ist, dass gerade in kleineren Gemeinden Parteipolitik eine kleinere Rolle spielt. In einigen Gemeinden gibt es nicht mal lokale Sektionen.
Cloé Jans und Jana Wachtl heben auch hervor, dass sich im Allgemeinen nicht haufenweise Kandidierende für die Gemeindeexekutive aufdrängen. Auch spielt die Sichtbarkeit von Frauen in politischen Ämtern eine Rolle. «Wenn in einem Gemeinderat nur eine oder keine Frau sitzt, ist die Hürde für Frauen grösser, sich für ein solches Amt zu melden», sagt Wachtl. Eine weitere Hürde sei für sie auch die noch ungleichmässige Aufteilung der unbezahlten Familien- und Hausarbeit: Die Erwerbsquote der Frauen hat sich erhöht, ohne dass Männer in diesem Ausmass unbezahlte Arbeit in der Familie und Haushalt übernommen hätten.
Noch ist unklar, ob die ausgewogenere Frauenvertretung auf nationaler und kantonaler Ebene, die das Wahljahr hervorbrachte, auch eine bessere Vertretung der Frauen in den Gemeinden bewirken wird. Jana Wachtl sieht die Gemeinderatswahlen 2020 als Test dafür, ob die Bestrebungen auf kantonaler und nationaler Ebene langfristige Folgen haben werden: «Wenn nach den Wahlen 2020 in den Gemeinden kein klarer Aufwärtstrend feststellbar ist, braucht es ein zusätzliches Engagement, um eine ausgewogene politische Vertretung zu erreichen.»