Coronavirus
Ist die Corona-Verschärfung gar unzulässig? Dieser Rechtsprofessor kritisiert die beiden Basel

Ist die Verschärfung der Corona-Massnahmen für Bars und Clubs rechtlich haltbar? Felix Uhlmann bezweifelt es.

Michel Ecklin, Hans-Martin Jermann
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Ob die Kantone die Vorgaben des Bundes einfach so verschärfen dürfen, zweifelt Felix Uhlmann an.

Ob die Kantone die Vorgaben des Bundes einfach so verschärfen dürfen, zweifelt Felix Uhlmann an.

Yves Krähenbühl-KIF Graphics

Seit einer Woche gelten in Basel-Stadt, Baselland, Solothurn und dem Aargau wegen Corona wieder strengere Regeln für Anlässe und Restaurants. Richtlinie ist ein Maximum von 100 Personen pro Saal. Die Nordwestschweizer Kantone haben das in präventivem Sinne getan, in Basel, «um der Gefahr einer örtlichen Ausbreitung des Virus vorzubeugen», wie die Regierung schrieb. Und in Liestal, «um eine Überlastung des Contact-Tracing-Systems zu verhindern».

Kantone dürfen nur unter Bedingungen verschärfen

Doch ob diese Begründungen rechtlich wasserdicht sind, ist nicht ganz klar. Der Basler Anwalt Felix Uhlmann lehrt an der Universität Zürich Staats- und Verwaltungsrecht. Er zweifelt, ob die Kantone solche Beschränkungen aus präventiven Gründen beschliessen dürfen. Uhlmann verweist auf die Covid-19-Verordnung des Bundes zur besonderen Lage.

Felix Uhlmann Der Basler Anwalt lehrt an der Universität Zürich Staats- und Verwaltungsrecht.

Felix Uhlmann Der Basler Anwalt lehrt an der Universität Zürich Staats- und Verwaltungsrecht.

In Artikel 8 sind die Fälle aufgeführt, in denen die Kantone weitergehende Massnahmen als der Bund ergreifen dürfen: Einerseits, wenn die Fallzahlen so hoch sind, dass das Erheben von Kontaktdaten «nicht mehr praktikabel» ist. Anderseits, wenn örtlich eine hohe Anzahl von Infektionen vorliegt oder droht, und zwar «unmittelbar».

Ob diese Kriterien in beiden Basel erfüllt sind? Uhlmann hegt zumindest Zweifel: «Dass die Kantone beim Contact Tracing am Anschlag sind, wäre mir neu. Jedenfalls haben sie sich bisher nicht dahin gehend geäussert.» Prophylaktisch eine Massnahme zu treffen, um eine Überlastung des Systems zu verhindern, sei nicht vorgesehen.

Knifflig ist die zweite Variante der Verordnung, die örtlich hohen Fallzahlen. In Baden (Aargau) und Grenchen (Solothurn) hat es in Bars Superspreader-Fälle mit mehreren Ansteckungen gegeben; Hunderte mussten in Quarantäne. Dies erlaube regional geltende Massnahmen, betont Uhlmann. Nur: Ob der Bund damit pauschale Einschränkungen über mehrere Kantone hinweg vor Augen hatte, sei zumindest fraglich.

Verschärfungen müssen zeitlich begrenzt sein

Uhlmann äussert noch eine andere Kritik: Die besonderen Massnahmen müssten laut der erwähnten Bundes-Verordnung «zeitlich begrenzt» sein. Im Falle von Basel-Stadt, wo die Einschränkungen bis Ende Jahr gälten, könne davon keine Rede mehr sein: «In Corona-Zeiten sind fünf, sechs Monate eine Ewigkeit.»

In Corona- Zeiten sind fünf, sechs Monate eine Ewigkeit.

(Quelle: Felix Uhlmann, Professor für Staatsrecht)

Zusammenfassend findet Uhlmann, dass regional spezifische Massnahmen mit Bedacht ausgesprochen werden müssen. «Der Bundesrat wollte gewisse landesweite Standards. Die Kantone können diese nicht nach Belieben verschärfen.» Ob die Einschränkungen aus Präventionsgründen richtig seien, bleibe dahingestellt: «Rechtlich bewegen sich die Kantone jedenfalls auf dünnem Eis.» Mit ähnlichen Aussagen hat sich Uhlmann kürzlich bereits in der «NZZ» geäussert.

Epidemiengesetz steht über der Verordnung

Auf Anfrage der bz rechtfertigen beide Basel die Massnahmen – interessanterweise auf unterschiedliche Weise. In der Stadt erwähnt das Gesundheitsdepartement (GD), dass Besucher von Bars und Clubs an einem Abend oft mehrere Einrichtungen besuchen würden.

«Dieser Umstand sowie die Tendenz der steigenden Fallzahlen der letzten Wochen zeigen deutlich auf, dass ein Anstieg in der aktuellen Situation jederzeit eintreten kann, wenn die Kantone nicht präventive Massnahmen ergreifen.» Deshalb hätten die Bestimmungen des Bundes auch präventiven Charakter.

Die Baselbieter Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD) beruft sich auf das eidgenössische Epidemiengesetz. Demnach können die Kantone Veranstaltungen verbieten oder einschränken und Unternehmen schliessen, um eine Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. «Die Covid-19-Verordnung des Bundes zur besonderen Lage kann diese Kompetenz der Kantone grundsätzlich nicht beschränken, da das Gesetz der Verordnung als höherrangiges Recht vorgeht.»

Massnahmen gegen Virus sind immer präventiv

Beide Kantone rechtfertigen ihr Vorgehen epidemiologisch. Das GD erinnert an die Taskforce des Bundes, die «dringlichen Handlungsbedarf in der aktuellen Situation» sieht. Massnahmen gegen die Verbreitung des Virus seien «immer in gewisser Weise präventiv», fügt die VGD an. Das zu untersagen, widerspreche einer vernünftigen Auslegung der Verordnung.

Uhlmann sieht das strenger. Für ihn macht eine Verordnung wenig Sinn, wenn sie nicht ausschliessend ist. «Sie dient ja in diesem Fall genau dazu, die Kantone einzuschränken und Privaten in der Coronakrise einen gewissen Schutz zu bieten.»