Jetzt muss aufgeholt werden

Nachdem die Zeit des Fernunterrichts vorüber ist, wollen Schüler ihre Lernrückstände mit Nachhilfe aufarbeiten.

Kelly Spielmann
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Coachings für Lern- und Arbeitstechniken stehen bei «Fit4School» zurzeit hoch im Kurs.

Coachings für Lern- und Arbeitstechniken stehen bei «Fit4School» zurzeit hoch im Kurs.

Bild: Kenneth Nars (Muttenz, 9. September 2020)

Der Lockdown ist vorbei, die Schulen sind wieder geöffnet, Fernunterricht gibt es nicht mehr. Alles ist wieder beim Alten – könnte man meinen. Doch das stimmt nicht ganz. Die Langzeitfolgen des Homeschoolings, das Baselbieter Schülerinnen und Schüler im Frühling gehabt haben, beginnen sich erst jetzt richtig zu zeigen. Zu spüren bekommt sie etwa Pascal Ryf, Geschäftsführer der Nachhilfe- und Schülercoaching-Stiftung «Fit4School». Seit Ende des Lockdowns herrsche dort besonders bei den Lerncoaching- Angeboten eine höhere Nachfrage.

Obwohl die Lehrpersonen und Schulen während des Lockdowns einen «enormen Effort geleistet» hätten, sei es für viele Schülerinnen und Schüler keine einfache Zeit gewesen: «Die grösste Schwierigkeit war, dass sie sehr viel Selbstdisziplin und Selbstständigkeit aufbringen mussten.» Besonders jüngere Kinder hätten damit noch Mühe. Viele Eltern buchen nun persönliche Coachings, in denen Lern-, Organisations- und Arbeitstechniken vermittelt werden. Dies auch für den Fall, dass ein weiterer Lockdown kommt. Ryf: «Damit rechnen wir zurzeit nicht. Trotzdem haben Eltern festgestellt, wie wichtig es ist, diese Selbstständigkeit beim Lernen früh aufzubauen.»

Denn die fehlende Selbstständigkeit habe auch bei vielen Schülerinnen und Schülern zu Lernrückständen geführt. Eine Umfrage an den Berufsschulen habe ergeben, dass 50 Prozent der Befragten während des Lockdowns weniger gelernt hätten als im Präsenzunterricht. Für Nachhilfelehrer bedeutet das nun mehr Arbeit: «Fit4School» hat dafür beispielsweise einen neuen Kurs in das Programm aufgenommen. In diesem werden die Grundlagenfächer Mathematik und Deutsch individuell aufgearbeitet und gefestigt, um Rückstände gezielt aufzuholen. In Planung sei auch ein Kurs für Französisch und Englisch, «aber es braucht halt immer viel Zeit, so etwas neu zu entwickeln».

Auch für Schulleiter gibt es mehr zu tun

An der Primarstufe in Muttenz habe der Wunsch nach Nachhilfe derweil nicht signifikant zugenommen, wie Schulleiterin und Co-Präsidentin des Baselbieter Schulleiterinnen- und Schulleiterverbands, Marianna Hersche, sagt. Lediglich bei den Schülern, die integrative Förderprogramme oder DaZ-Unterricht (Deutsch als Zweitsprache) besuchen, habe es Probleme gegeben. «Die sind oft auf Eins-zu-Eins-Unterricht angewiesen», erklärt Hersche. Daher sei es zu Rückständen gekommen. Ansonsten sei es ein grosser Vorteil gewesen, dass vom Kanton Druck weggenommen wurde, da die zeugnisrelevante Zeit nur bis zum Lockdown dauerte.

«Ein Erfolg war auch, dass man mehr Verständnis füreinander erhalten hatte.» So würden Eltern nun den Beruf der Lehrpersonen sowie diese die Familiendynamiken besser verstehen. Trotz dieses Vorteils hofft sie, dass es nicht mehr zum Fernunterricht kommt: «Das wünsche ich mir für alle Involvierten nicht.» Auf situativen Fernunterricht müsse man sich aber dennoch vorbereiten – beispielsweise wenn eine Klasse in Quarantäne müsste.

Der Lockdown hat nicht nur die Schülerinnen und Schüler beeinflusst: «Unser Beruf ist immer noch ein anderer», sagt Hersche. Lager-Schutzkonzepte bewilligen, Anlässe umstrukturieren, mehr Elternbriefe schreiben: «Das ist alles ein enormer Mehraufwand.»

Eine Anfrage vom Dienstag bei der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion betreffend Langzeitfolgen des Homeschoolings wurde bis gestern Abend nicht beantwortet.