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Karin Suter-Erath war in drei Disziplinen Spitzensportlerin. Gegenüber der «Schweiz am Wochenende» plauderte sie aus dem Nähkästchen.
Frau Suter-Erath, welchen Begriff haben Sie gezogen?
Karin Suter-Erath: Ou. Ehrgeiz.
Passt dieser Begriff zu Ihnen?
Ich denke schon. Ich war schon als kleines Kind ziemlich ehrgeizig.
Ich nehme an, vor allem auf den Sport bezogen – oder auch in der Schule?
Nein, schon vor allem im Sport. Vor allem als die Matur immer näher rückte, begann ich mich auf den Sport zu fokussieren. In der Schule war ich dann ziemlich minimalistisch. Ausser in Mathematik.
Zu jener Zeit spielten Sie Handball. Wie oft haben Sie da trainiert?
Eigentlich jeden Abend, und am Wochenende waren dann Spieltage. Es war schon ein ziemliches Programm.
Stammen Sie aus einer Sportlerfamilie, oder woher rührt Ihr Ehrgeiz?
Meine Eltern waren nicht unsportlich, aber sicher nicht Leistungssportler. Ich habe mich einfach immer gerne bewegt, war immer draussen zum Schutten mit den Jungs. Bälle haben mich generell fasziniert. Ich konnte stundenlang gegen das Garagentor kicken. Und einmal gingen wir in den Zirkus und ich beobachtete die Jongleure. Ihnen eiferte ich nach, bis ich es auch beherrschte.
Wie alt waren Sie da?
Vielleicht zwölf Jahre alt. So genau weiss ich es nicht mehr. Es gab auf jeden Fall kein Youtube, ich brachte mir immer alles selber bei. Ich konnte auch ganz schlecht verlieren. Um genau zu sein, kann ich es auch heute noch nicht so gut.
Tatsächlich? Dabei gehört Verlieren doch zu Ihrem Beruf...
Früher war es natürlich schlimmer. Schon nur beim Versteckis gab es eigentlich meistens Tränen. (lacht) Auch wenn der FCB verloren hat – ich war als Teenager ein grosser Fan – nahm ich das fast schon persönlich.
Wie äussert sich das heute?
Naja, ich arbeite seit Jahren mit Mentalcoaches zusammen und habe mich deshalb schon verbessern können. Wenn ich heute weiss, dass ich alles gegeben habe und es trotzdem nicht gereicht hat, kann ich das gut akzeptieren. Wenn ich aber nicht gut vorbereitet war, kann ich schon auch noch hässig werden.
Der Zorn richtet sich dann aber gegen Sie selbst?
Ja, immer.
Sind Sie hart mit sich?
Ich denke schon. Das hat mich auch immer weiter gebracht. Früher war ich noch härter, das konnte mich bei der Analyse blockieren. Aber man wird ja auch reifer. Druck ist gut, aber er kann auch lähmen. Ich habe inzwischen eine gute Mischung aus Ehrgeiz und Spass gefunden.
Wie wichtig ist Ihnen Olympia?
Sehr wichtig. An den Paralympics in Tokyo hätte das Parabadminton zum ersten Mal zu den Disziplinen gehört. Seit 2015 weiss ich das, seither sind diese Spiele mein letztes grosses sportliches Ziel.
Sie haben die Sportart gewechselt, sie spielten früher Rollstuhltennis. Das brachte wohl auch einige Umstellungen mit sich?
Ja, absolut. Ich habe mein Arbeitspensum reduziert, mein Team optimiert und das Training angepasst. Jetzt werden die Spiele um ein Jahr verschoben – für jemandem mit meinem Jahrgang ist das sicher kein Vorteil. Aber ich habe zu viel investiert, um es jetzt nicht durchzuziehen. Auch wenn ich es mir ganz anders vorgestellt hatte, mit einer grossen Eröffnungszeremonie und begeisterten Zuschauern.
Wie haben Sie denn die Corona-Zeit erlebt?
Schon auch positiv. Ich konnte viel trainieren und dabei den Fokus auf jene Dinge legen, die in meinem normalen Trainingsalltag weniger Beachtung finden. Ich habe mental viel gearbeitet und physisch nachhaltig gearbeitet.
Wir haben über Ehrgeiz gesprochen. Ich nehme an, nur dabei zu sein, dürfte Ihnen nicht reichen, wenn die Spiele dann stattfinden...
Das Ziel ist es schon, eine Medaille zu gewinnen. Es wird sicher schwierig, aber wenn es eine Chance geben sollte, möchte ich sie packen.
Ärgert es Sie, wenn die Paralympics weniger Aufmerksamkeit erfahren als die Olympischen Spiele?
Nein. Mir geht es nicht um die Wertschätzung von aussen. Es ist ja generell so, dass sich die grosse Aufmerksamkeit nur auf eine Handvoll Sportarten richtet, nicht nur im Behindertensport. Wer kennt schon den Schweizer Meister im Squash, ob im Rollstuhl oder nicht?
Redet man über Behindertensport, dreht sich das Gespräch sehr oft auch um die Lebensumstände der Sportler, ihre Lebensgeschichte. Ärgert Sie das?
Nein, ärgern tut es mich nicht. Ich möchte einfach als Rollstuhlsportlerin respektiert und nicht wegen meiner Behinderung speziell behandelt oder bewundert werden.
Wird Ihnen der Ehrgeiz irgendwann im Weg stehen, wenn Sie vom Leistungssport Abschied nehmen müssen?
Nein, das glaube ich nicht. Lange war der Ehrgeiz mein Hauptmotivator, aber heute stehen andere Dinge im Vordergrund. Nach der Tenniskarriere habe ich eine Zeit lang pausiert. Ich konnte tauchen, gut Essen gehen, pokern, Freunde treffen. Dann habe ich das Badminton entdeckt und dabei meine Spielfreude wieder gefunden. Heute ist die Freude am Sport und an der persönlichen Fitness mein grösster Antrieb. Diese Dinge werden mir auch bleiben, wenn ich irgendwann vom Leistungssport zurücktrete.