Man könne bald nicht mehr alle Aufgaben erledigen, warnt Kommandant Mark Burkhard. Er brauche unbedingt mehr Leute – denn schon heute könne man nach einem Notruf nicht mehr in jedem Fall eine Patrouille schicken.
Die Baselbieter Polizei schlägt Alarm. Die Arbeit wachse ihr über den Kopf. Wenn es so weitergehe, müsse sie über eine Verzichtsplanung nachdenken, sagt Kommandant Mark Burkhard. Oder aber: Die Polizei erhalte mehr Personal. Schon heute komme es vor, sagte der Chef der Kantonspolizei, dass man nach Notrufen keine Patrouillen vorbeischicken könne. Weil alle besetzt seien.
Den Notruf setzte Mark Burkhard am Mittwochvormittag ab, an der Medienkonferenz anlässlich der Präsentation der Kriminalitätsstatistik 2020, die grundsätzlich gut ausfällt. «Man erwartet immer mehr von der Polizei», sagte Burkhard:
«Wir sind fast rund um die Uhr für die Bevölkerung zuständig. Jetzt müssen wir uns Gedanken machen, wie die Entwicklung weitergeht.»
Man platziere den Wunsch nach mehr Personal. «Wie der Regierungsrat darauf reagiert, wissen wir aber nicht.» Die Adressatin war bei der Medienkonferenz anwesend – und ging auf die Bitte ein. «Wir wissen, dass es einen grossen Bedarf gibt bei der Polizei», sagte Regierungsrätin und Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer (SP). «Doch wir wissen noch nicht, wie wir damit umgehen.» Man könne in der finanziell angespannten Situation nicht jeden Wunsch erfüllen, «das ist allen klar».
Burkhard belegte die gestiegene Belastung mit Zahlen. 2020 gingen bei der Einsatzleitzentrale total 54'967 Notrufe ein. Vor fünf Jahren waren es noch fast 7000 weniger. Die Pandemie hat den Trend noch verschärft, sagte Burkhard, und längst nicht in jedem Fall, bei dem jemand 112 oder 117 wählt, geht es offenbar um Leben und Tod: «Wir merken, dass es gehäuft Streitigkeiten gibt, Auseinandersetzungen, Nachbarschaftskonflikte. Das führt zu einer sehr hohen Belastung unserer Einsatzkräfte», sagte Burkhard.
Auch die Coronakontrollen würden viele Kräfte binden. Insgesamt rückte die Baselbieter Polizei deswegen im vergangenen Jahr fast 1800-mal aus – das sind im Schnitt rund 5 Kontrollen am Tag.
Kathrin Schweizer sprach auch von «alternativen Strategien», die man noch ausarbeiten müsse. Mark Burkhard sagte, er kenne die Erwartung von Politik und Bevölkerung: Man solle intern umbauen, sprich: Bürojobs reduzieren, dafür mehr Leute auf Streife schicken. «Man kann aber die rückwärtigen Bereiche nicht endlos redimensionieren. Irgendwann betrifft es auch die Frontkräfte.» Auch habe man mit Reorganisationen in den vergangenen Jahren schon mehr Leute an die Front gebracht. «Das wollen wir nicht rückgängig machen.»
Seit Ende 2020 sei man daran, die Verfügbarkeit der Patrouillen genauer zu erheben, sagte Burkhard. Die Auswertung sei noch im Gang. Ein Blick auf die Stellen der Sicherheitsdirektion von 2010 bis 2020 zeigt: Die Zahl der Vollzeitäquivalente wuchs um 55. Da in diesem Zeitraum die Bevölkerung aber proportional noch stärker zugenommen hat, kann man kaum von üppigem Stellenwachstum sprechen.
Das vergangene Jahr war kein Ausreisser, was die Kriminalität betrifft. Die Pandemielage veränderte aber sie aber. Wenn die Grenzen geschlossen und die Menschen fast immer zu Hause sind, dann nehmen die Einbrüche und die Verkehrsunfälle ab. Dafür passen die Kriminellen ihre Opfer halt online ab. Und die Jugendlichen lässt die Situation auch nicht kalt. Unter dem Strich ist das Soll der polizeilich erfassten Straftaten auf ähnlichem Niveau verharrt. Total waren es im Jahr 2020 im Kanton Baselland 11'937 Fälle, das sind 343 oder 3 Prozent mehr als im Vorjahr. 88 Prozent aller Delikte richteten sich gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuches, 70 davon gegen das Vermögen – das sind vor allem Diebstähle.
Das Baselbiet bleibt ein sicherer Kanton. Die Kriminalitätsbelastung erhöht sich zwar leicht auf 36 Straftaten pro 1000 Einwohner. Das ist jedoch weiter unter dem Landesdurchschnitt von 49. Zum Vergleich: Basel-Stadt verzeichnet 103 Straftaten pro 1000 Einwohner, Solothurn deren 55 und der Aargau 35.