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Geht es nach dem Bund, wird die kaufmännische Ausbildung schon 2022 auf den Kopf gestellt. Statt um Fächer geht es dann um Kompetenzen und ein ganzer Leistungszug wird gestrichen. Bildungsdirektorin wie auch der Landrat befürchten grosse Schwierigkeiten und fordern mehr Zeit.
Wenn es um Kritik an Bildungsreformen geht, dreht sich meist alles um die Volksschule. Bisher fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit steht auf Bundesebene aber eine Reform auf der Zielgeraden, welche direkt danach ansetzt und die grösste Gruppe der Lernenden im Baselbiet vor eine unsichere Zukunft stellt: jene der KV-Lehrlinge. Rund 2200 von 6000 Lernenden wählen in Baselland eine Ausbildung zur Kauffrau oder zum Kaufmann statt des Weges über eine Mittelschule.
Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) plant eine Totalrevision der KV- und Detailhandelsberufe – und das bereits per 2022. Zurzeit läuft eine zweite Vernehmlassungsrunde bis Ende Juni. Die erste Runde endete vor wenigen Tagen und offenbarte, dass der Widerstand bei vielen Kantonen und auch den betroffenen Institutionen massiv ist.
Grund genug für die Baselbieter FDP, dass das Thema endlich auch die Kantonspolitik beschäftigt: Mit einer Dringlichen Interpellation wollte sie an der Landratssitzung von heute Donnerstag von der Regierung wissen, wie diese zur Reform steht und ob sie eine Möglichkeit sieht, beim SBFI eine Verschiebung der Pläne auf 2023 zu erwirken. Damit rannte die FDP-Fraktion bei ihrer eigenen Regierungsrätin Monica Gschwind, die passenderweise Bildungsdirektorin ist, offene Türen ein. Gschwind nutzte es als Steilpass für eine eindringliche Rede, in der sie die Schwächen der KV-Reform schonungslos benannte.
«Fachkenntnisse in Finanz- und Rechnungswesen sind essenziell», hielt Gschwind fest und zeigte sich «sehr skeptisch». Und die Fremdsprachen-Reduktion sei politisch derart brisant, dass nun der Bundesrat in den Entscheid eingebunden werden soll. Grundsätzlich sagt sie:
«Es kommt zu einem pädagogischen Paradigmenwechsel, der eine ganz neue Schulorganisation benötigt.»
Gschwind stützt denn auch die Forderung der FDP nach einer Verschiebung der Reform auf 2023/24. Denn: «Es gibt so viele offene Fragen und diverse Bedenken, die nicht bis Ende Jahr gelöst werden können.»
Quer durch alle Fraktionen lösen die Pläne des Bundes Kopfschütteln aus. «Ich bin schockiert», sagte Andreas Dürr (FDP). «Ich bin konsterniert», fügte Jan Kirchmayr (SP) an und «Ich bin entsetzt», stimmte dessen Vater Klaus Kirchmayr (Grüne) in den Chor ein. Das SBFI habe etwas im Elfenbeinturm erarbeitet, ohne die Basis, die Schulen, zu fragen. Mehrere Stimmen warnten auch, dass die Jugendlichen, die in diesen Monaten einen KV-Lehrvertrag abschliessen, gar nicht wüssten, was auf sie zukommt. Und auch der erfolgreiche Abschluss der Berufsmaturität sei gefährdet und damit der Anschluss an die Fachhochschule Nordwestschweiz.
Da die Musik aber auf Bundesebene spielt, sind die Möglichkeiten Basellands beschränkt, einzugreifen. Dürr kündigte an, parteiübergreifend eine Resolution anzustossen. Und Gschwind zeigte auf, über den Bildungsraum Nordwestschweiz bereits Druck auf das SBFI auszuüben. Ein Alleingang Basellands, Basel-Stadts, Solothurns und Aargaus sei aber nicht möglich. In der Berufsbildung entscheide am Ende der Bund.