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Die römisch-katholische Kirchgemeinde Muttenz hat das Instrument ersetzt. Das passt nicht allen. Denn die alte Orgel scheint nicht kaputt gewesen zu sein, trotzdem brauchte es eine neue.
«Die bisherige Orgel wurde nach rund dreissig Jahren leider von Fachleuten für irreparabel eingestuft.» Die Worte, mit denen der Kauf und Bau einer neuen Orgel für die römisch-katholische Kirche Muttenz auf deren Webseite erklärt wird, sind deutlich. Die alte wollte nicht mehr, eine neue musste her. Zu einem Preis von 950000 Franken für die Anschaffung sowie rund 360000 Franken für die baulichen Massnahmen, die das neue Instrument erforderte. Der grösste Teil, rund 1,1 Millionen Franken, setzt sich aus Spenden zusammen. Dafür erhielt das Instrument seine eigene Internetseite unter dem Namen «Orgelprojekt Himmelsleiter».
Nun meldet sich der Orgelbauer des alten Instruments, Ulrich Wetter, zu Wort. In einer Zuschrift an die bz erklärt er: Es «stellt sich die Frage, wie es möglich war, eine erst 15-jährige Orgel für unbrauchbar und irreparabel zu erklären und durch eine neue zu ersetzen».
Obwohl das ausgetauschte Modell zum Zeitpunkt des Wechsels über 30 Jahre zählte, war es zum Zeitpunkt, als die ersten Kritiker laut wurden, erst 15 Jahre im Einsatz. «1999 übernahm ein neuer Organist und Chorleiter das Amt des Kirchenmusikers der Pfarrei Johannes Maria Vianney», schreibt Wetter. Schnell sei den Beteiligten klar gewesen: «Mit der vorhandenen, vom ortsansässigen Orgelbauer konstruierten und 1985 eingeweihten Orgel liessen sich die Visionen von ‹Musica Sacra› nicht realisieren.»
Gründe für die Anschaffung seien «rasch erfunden» gewesen: Die alte Orgel sei «unheilbar krank» und am falschen Ort positioniert. Die neue «Himmelsleiter» steht mittlerweile im Altarsaal, das Eröffnungskonzert findet am 11. Oktober statt. Die alte Orgel ist derweil umgezogen: Sie befindet sich revidiert im bulgarischen Rakowski, wo sie laut Zuschrift «feierlich eingeweiht» wurde. Weshalb aber war der Umzug der «irreparablen» Orgel möglich?
«Es gab keine nennenswerten Schäden an der Orgel», sagt Rolf Emmenegger auf Anfrage. Er hat das Instrument mit seinen Mitarbeitern in Muttenz ab- und in Rakowski wieder aufgebaut und revidiert. Dies, nachdem er gehört hat, dass sie entsorgt werden soll. «Mein Lehrmeister hat die Orgel gebaut. Ich war von der Qualität des Instruments überzeugt», so Emmenegger.
Dies habe sich bestätigt, als er sie in einem «Rekordtempo» aufgebaut habe – 450 Stunden haben er und sein Team gebraucht. «An der Orgel musste man nichts reparieren, das man nicht auch bei einer Revision nach 20 Jahren müsste. Für die bulgarische katholische Gemeinde war das ein Glücksfall.»
Dem widerspricht Kirchgemeindepräsident Felix Wehrle: «Die Orgel ist während eines Gottesdienstes zusammengekracht. Das war der Punkt, an dem wir definitiv sahen, dass dieser Zustand nicht mehr haltbar ist.» Auf eine Internetausschreibung habe zwei Jahre niemand reagiert, schliesslich habe die Orgel verschenkt werden müssen.
Schon Jahre zuvor habe man Gutachten erstellen lassen. Das Fazit: In das Instrument sollte kein Geld mehr investiert werden. Es sei beim Sammeln der Spenden also nicht darum gegangen, dass man eine neue, schicke Orgel wollte. «Sie war wirklich in einem sehr schlechten Zustand», so Wehrle. Auch die Position bemängelt er: Der Klang sei an die Betonmauer geknallt. Die neue Orgel mit fast 2000 Pfeifen im hohen Chor hingegen sei so gestimmt, dass der Ton sogar auf den schlechten Plätzen gut hörbar sei.
Über deren Bau hat nach all den Gutachten schliesslich die Kirchgemeindeversammlung abgestimmt. Vier Varianten standen zur Auswahl, unter anderem die Sanierung der alten Orgel für 250000 Franken. Über 100 von rund 160 Kirchgemeindemitglieder haben sich jedoch für die Himmelsleiter ausgesprochen. Zu Recht, wie Wehrle findet: «Unsere neue Orgel ist wie die Champions League, die alte könnte man mit der Nati B vergleichen.»