Wochenkommentar
Opposition statt Regierung: Die Gestaltungskraft versiegt

Die Juso Baselland fordert die Mutterpartei auf, nicht zu den Regierungsratswahlen anzutreten, um kein Feigenblatt einer «rechtsbürgerlichen Regierung» zu werden. Dabei hat die SP nach gut drei Jahren ohne Exekutivamt ganz sicher nicht an Einfluss gewonnen.

David Sieber
David Sieber
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Die Baselbieter Juso verlangt von der SP, zu den Regierungsratswahlen gar nicht erst anzutreten.

Die Baselbieter Juso verlangt von der SP, zu den Regierungsratswahlen gar nicht erst anzutreten.

Keystone

Als 1983 gegen den Willen der SP Otto Stich anstelle von Lilian Uchtenhagen zum Bundesrat gewählt wurde, sah Helmut Hubacher rot. Der damalige Parteipräsident wollte die zwei Sitze in der Landesregierung räumen und in die Opposition gehen. An einem hochemotionalen Parteitag wurde er überstimmt. In der Folge erodierte das bisherige Selbstverständnis, eine opponierende Regierungspartei zu sein. Die Sozialdemokraten wurden mehr und mehr zu einer staatstragenden und gewissermassen konservativen Kraft.

Als im Winter 2003 Christoph Blocher seinem Auftrag folgte und letztlich erfolgreich für den Bundesrat kandidierte, drohte der damalige SVP-Präsident Ueli Maurer im Vorfeld mit dem Rückzug in die Opposition, sollte die Bundesversammlung das Zweierticket Blocher/Samuel Schmid nicht lösen. Die Drohung funktionierte, an der Oppositionshaltung änderte sich nichts.

Als Blocher 2007 den Bundesrat wieder verlassen musste, wurde der Entscheid der zuvor abgehaltenen Delegiertenversammlung umgesetzt, im Falle einer Abwahl in die Totalopposition zu gehen. In der Folge wurden Eveline Widmer-Schlumpf und Samuel Schmid exkommuniziert, doch keine zwei Jahre später nahm Ueli Maurer Schmids Platz in der Landesregierung ein. Denn das mit der Opposition funktionierte ohne Vertretung im Bundesrat in der Realpolitik nicht sehr gut.

Und nun verlangt die Juso Baselland von der Mutterpartei, zu den Regierungsratswahlen im Frühling gar nicht erst anzutreten, sondern in der Opposition zu verharren, bis die Zeit für eine links-grüne Regierung reif ist.

Demokratie in der Schweizer Version bedeutet, dass alle wichtigen Kräfte eingebunden werden, ohne dass diese sich vorbehaltlos hinter die jeweilige Regierung stellen müssen. Die Opposition, jedenfalls die parlamentarische, ist also stets Teil des Ganzen. Misstöne und bisweilen ein mühsames Geknorze gehören dazu. Aber man ist gezwungen, sich zusammenzuraufen, was oft zu austarierten und breit abgestützten Lösungen führt. Und sonst ist da immer noch das Volk, das mit Referenden und Initiativen Regierungen und Parlamenten Beine machen kann.

Das funktioniert ziemlich gut, solange Mass gehalten wird. Extremforderungen von Parteien oder ihnen nahe stehenden Gruppierungen schwächen jedoch die direkte Demokratie, die der Schweiz eine aussergewöhnliche politische Stabilität und darauf aufbauend Wohlstand gebracht haben. Insbesondere die Polparteien stehen hier in der Verantwortung. Entziehen sie sich dieser, droht ein Regierungs-Oppositions-System und damit entweder das faktische Ende der Volksrechte, wie wir sie heute kennen, oder eine Blockadepolitik der jeweiligen Opposition.

Das hat die Juso (noch) nicht verstanden. Dabei müsste sie sich bloss die Frage stellen: Was genau haben den Sozialdemokraten die gut drei Jahre in der (unfreiwilligen) Opposition gebracht? Eine Selbstfindungs- und Erneuerungsphase, einen jungen und hungrigen Parteipräsidenten plus einen Mitgliederzuwachs und neuen Mut. Aber, das, was zählt, die Gestaltungskraft, lag nahe null. Die Unruhe, die das bürgerliche Lager in jüngster Vergangenheit erfasst hat, das langsame Aufbrechen verkrusteter Strukturen, die scheue Infragestellung der Rolle der Wirtschaftskammer, all das hat nicht die SP und schon gar nicht deren Jugendabteilung bewirkt, sondern die Bürgerlichen selbst.

Zudem: Tritt die SP nicht an, mobilisiert sie ihre Wählerschaft auch nicht. Die Folge ist quasi die selbsterfüllende Prophezeiung der Juso, eine eher rechtsbürgerliche Regierung. Und vielleicht auch das Ende der zaghaften Baselbieter Perestroika. Zwei links-grüne Sitze in der fünfköpfigen Regierung können nun wirklich nicht als Feigenblätter abgetan werden. Selbst, wenn der Grüne doch eher bürgerlich ist. Der Einfluss auf die kantonale Politik steigt dennoch. Und noch mehr, wenn man gleichzeitig die Oppositionsrolle taktisch geschickt spielt. SVP und FDP machen es vor. Warum sollen die Genossen da hintanstehen?

Es ist das Recht der Jugend, ungeduldig nach vorne zu stürmen. Und es schadet gewiss nichts, wenn die Mutterparteien intern herausgefordert werden und ihre Komfortzone verlassen müssen. Gerade die Baselbieter SP, lange in der Hand der (zu) alten Garde, brauchte diesen Jungbrunnen. Doch die Juso will alles oder nichts. Das Problem aus Sicht der Linken: Es würde beim Nichts bleiben. Und das auf unbestimmte Zeit. Eine Partei, die sich aus dem Rennen nimmt, wird für die Wählerinnen und Wähler erst unattraktiv und dann vergessen. Selbst die erfolgsverwöhnte, staats-und behördenkritische SVP wollte nach der Blocher-Schmach so rasch wie möglich in den Bundesrat zurück. Weil sie wusste, dass sie in der Opposition auf Dauer verloren wäre.