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Die Dimensionen des Falls sind enorm: Über 130 Osteuropäer schuften zu lang und zu billig, sagt die Baselbieter Arbeitsmarktkontrolle. Im Fokus ist ein niederländisches Subunternehmen im Auftrag einer deutschen Firma, nicht aber Arealbesitzerin Hiag.
Etwas Vergleichbares gab es im Baselbiet seit Jahrzehnten nicht: «Es ist der grösste Fall, der uns bekannt ist», sagt Michael von Felten zur bz. Der Vorstandsdelegierte der Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe (AMKB) schüttelt den Kopf über die Dreistigkeit, mit der versucht wurde, systematisch und organisiert die Schweizer Arbeitsgesetze zu unterlaufen.
Konkret geht es um die Rückbauarbeiten am «Gebäude 40», dem prägnanten Turm auf dem alten Areal der konkursiten Chemiefirma Rohner in Pratteln. Seit Dezember 2020 sollen hier über 130 Arbeiter aus Polen, Lettland und Litauen bis zu 57 Stunden pro Woche schuften – und das bei einem Stundenlohn von zehn bis zwölf Euro. Der Gesamtarbeitsvertrag sieht aber einen Mindestlohn von 20.40 Franken und das Arbeitsgesetz eine Maximalarbeitszeit von 50 Stunden vor. Dies berichteten am Mittwoch gleichzeitig die «Basler Zeitung» und der «Standpunkt der Wirtschaft» der Baselbieter Wirtschaftskammer.
Am selben Tag teilte die Baselbieter Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD) mit, dass das kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) bereits am Montag den Antrag der AMKB erhalten habe, die Arbeiten auf der Baustelle «umgehend einzustellen». Kiga wie auch VGD beurteilen die Vorwürfe als «gravierend» und prüfen nun den Antrag. Die AMKB muss aber noch weitere Belege und Unterlagen nachreichen. «Erhalten wir diese, können wir die Baustelle schliessen», sagt VGD-Sprecher Rolf Wirz.
Wie von Felten auf Anfrage präzisiert, hat die beschuldigte Firma nun bis Montag Zeit, die Missstände zu beheben und dies auch zu belegen. Im Fokus steht in erster Linie die niederländische Gerritsen Group. Diese wurde von der deutschen KD Pharma mit dem Rückbau des Gebäudes beauftragt, das eins zu eins in England wieder aufgebaut werden soll. Die KD Pharma wiederum hatte das Gebäude und die alten Produktionsanlagen der Arealbesitzerin Hiag abgekauft, welche das Areal für 250 Millionen Franken zu Wohn- und Gewerberaum umgestalten will. Hiag-CEO Marco Feusi hält fest:
«Wir bedauern das Ganze sehr und distanzieren uns von dieser Praxis, müssen aber betonen, dass wir nicht verantwortlich sind.»
Im Vertrag mit KD Pharma sei festgehalten, dass sämtliche Schweizer Gesetze eingehalten werden müssten. Darauf habe man zu Beginn der Demontage explizit nochmals hingewiesen. Mit der Gerritsen Group, die wiederum mehrere osteuropäische Subunternehmen mit dem Rückbau beauftragt hat, bestehe keine Vertragsbeziehung, so die Hiag.
Von Felten ist das Subunternehmertum ein Dorn im Auge. Er würde einen Ausbau der Solidarhaftung, eine Kautionspflicht und höhere Strafen begrüssen.