Abstimmung
Pro und Contra: Die Basler Bodeninitiative macht Schule

Soll die Gemeinde noch Boden verkaufen dürfen? Darüber stimmt in einer Woche Binningen ab; die Initianten verweisen auf Basel-Stadt.

Benjamin Wieland
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Binningen stimmt über die Bodeninitiative ab.

Binningen stimmt über die Bodeninitiative ab.

Das Baselbiet liegt im Mittelfeld beim Anteil der Genossenschaftswohnungen. 3,1 Prozent der Mietobjekte befinden sich im Besitz von gemeinnützigen Wohnbauträgern, darunter vor allem Genossenschaften. Das ergab eine Studie des Bundesamts für Wohnungswesen von 2017. Landesweit liegt der Schnitt bei 5 Prozent. In Basel-Stadt gar bei 11,3 Prozent – so hoch wie in keinem anderen Kanton.

In Binningen sollen mehr Genossenschaftswohnungen entstehen. Das haben sich die Urheber der Initiative «Binninger Boden behalten» auf die Fahnen geschrieben. Abgestimmt wird am 27. September. Bei einem Ja wäre es der Gemeinde künftig untersagt, Boden zu veräussern. Ausser, es wird Ersatz beschafft.

Erlaubt bleiben würde es, Parzellen im Baurecht zu überlassen. Hier kämen, so die Vorstellungen der Initianten, vor allem Baugenossenschaften zum Zug. Nicht verwunderlich, dass die Stiftung Habitat wie der regionale Dachverband der Wohngenossenschaften, Wohnbaugenossenschaften Nordwestschweiz das Begehren unterstützen.

Eingereicht hat die Initiative die SP Binningen im Juni 2018. Ihr Vorbild: die ähnlich lautende Basler Bodeninitiative. Sie wurde 2016 von zwei Dritteln der Stimmberechtigten im Stadtkanton angenommen.
Der Gemeinderat und der Einwohnerrat lehnten die Initiative ab. Das Gegenkomitee argumentiert, ein Ausverkauf des Bodens drohe nicht. Gezielte Landverkäufe müssten möglich bleiben – gerade um Investitionen zu finanzieren, schreibt etwa Christoph Daniel Maier (siehe unten). Simone Abt entgegnet im Namen des Initiativkomitees, das sei zu kurzfristig gedacht: Gerade mit Baurechtsvergaben könne die Gemeinde bedeutende Einkünfte erzielen.

Neben der SP haben auch die Grünen, die EVP und die CVP die Ja-Parole beschlossen. Ein Nein empfehlen FDP und SVP.

Pro: Kein Ausverkauf unseres Bodens

Die Initiative «Binninger Boden behalten» will verhindern, dass Gemeindeboden ohne Not verkauft wird. Kommt es zu Verkäufen, soll durch entsprechende Zukäufe der Bodenbestand der Gemeinde gehalten werden. In anderen Gemeinden konnten sich solche Initiativen bereits durchsetzen. In Basel zum Beispiel, aber auch in Adliswil, ZH, einer mit Binningen vergleichbaren Gemeinde. Auch Gemeinden im Baselbiet – wie Pratteln oder Oberwil – haben die Thematik erkannt. Viele Stimmberechtigte teilen unsere Befürchtungen bezüglich eines Ausverkaufs des Binninger Bodens. Das Begehren findet Unterstützung bis weit ins bürgerliche Lager.

Auf die Gemeinde kommen grosse Investitionen zu, etwa im Bereich Schulraum. Die Gemeinde beabsichtigt, im Rahmen der sich in Diskussion befindlichen Immobilienstrategie einen Drittel der Liegenschaften im Finanzvermögen zu verkaufen, um einen Teil der Investitionen zu finanzieren. Aus unserer Sicht ist das kurzsichtig: Die Erlöse aus Bodenverkäufen kann man nur einmal ausgeben – dann sind Geld und Boden weg. Das ist nicht nachhaltig.

Die Bevölkerung braucht Begegnungszonen, Grünanlagen, Bäume, Brunnen, Spielplätze. Dafür soll die Gemeinde ihren Boden nutzen. Das ist besonders wichtig, wenn verdichtet gebaut wird. Die verbleibenden Bodenreserven der Gemeinde (zwei Prozent) sind begrenzt. Der Boden soll deshalb nicht an private Investoren abgegeben, sondern von der Gemeinde gezielt bewirtschaftet werden. Das generiert Einkünfte, und Binningen kann sich davor schützen, sich eines Tages wieder teuer in die einst verkauften Objekte einmieten zu müssen.

Scheitert die Initiative, können die Bodenverkäufe wie vorgesehen getätigt werden, ohne dass der Einwohnerrat es mitverfolgen oder gar mitreden kann. Die Grundlagen liefern dann die Berechnungen von externen Wirtschaftsprüfern. Wir sind der Meinung, dass die Gemeinde ihre Bodenpolitik aus der Sicht der Einwohnerinnen und Einwohner festlegen und nicht auswärts bei Experten einkaufen sollte.
Kürzlich wurde eine kleine Parzelle der Gemeinde, auf der ursprünglich ein Mehrfamilienhaus stand, veräussert, um die Zufahrt zu einem dahinter liegenden privaten Grundstück zu erleichtern. So etwas darf angesichts der schwindenden Ressourcen der Gemeinde einfach nicht mehr passieren. Landverkäufe sind nicht im Interesse der Menschen, die in Binningen leben.

Simone Abt
Einwohnerrätin Binningen, SP

Contra: Teure und unnötige Einengung

Den sozialen Gedanken der Initianten, mit Baurechtsverträgen den subventionierten Wohnungsbau zu fördern, bejahen vielen Binningerinnen und Binninger. Dies ist auch mit ein Grund, dass unsere Gemeinde in dieser Hinsicht eine Vorzeigegemeinde ist. Daran wird sich in nächster Zeit auch nicht viel ändern. Denn es ist ja nicht so, dass der Gemeinderat nun plötzlich von heute auf morgen das Gemeindeland verscherbeln will, wie dies die Initianten verlautbaren. Und da über jeden massgebenden Verkauf im Einwohnerrat debattiert werden muss, kann er dies ja auch nicht eigenmächtig tun. Kurzum: Die Initianten wollen ein Problem lösen, das es gar nicht gibt.

Um was geht es dann? Und wer würde von einem Ja profitieren? Es ist offensichtlich, dass mit einem Ja Genossenschaften, gemeinnützige Bauträger und Stiftungen beglückt wären – alles Anspruchsgruppen, denen die Initianten sehr nahestehen. Die grosse Basler Stiftung Habitat würde als Mitinitiatorin direkt vom Ja profitieren.

Die Initiative versucht aber nicht nur, ein Problem zu lösen, das es nicht gibt, sondern sie schafft neue Probleme. Heute kann die Gemeinde im Rahmen der demokratischen Spielregeln die Landreserven flexibel managen. Wir haben etwa die Möglichkeit, unrentable Immobilien zu veräussern. Mit der Bodeninitiative verliert Binningen diese Flexibilität, denn in der Praxis sind die Vorgaben der Initiative ein Verkaufsverbot. Der geforderte gleichwertige Landabtausch funktioniert nicht wegen der verschiedenen Bauzonen.

Zudem haben wir das grosse Glück, dass viele in Binningen wohnen möchten und sich die Gemeinde weiterentwickeln will und muss. Das zeigt sich unter anderem am hohen Investitionsbedarf in den nächsten Jahren von 180 Millionen Franken. Alleine das neue Schulhaus im Dorf wird uns 51 Millionen Franken kosten. Durch die Initiative, die das Horten von Boden fordert, entsteht ein Finanzierungsproblem. Binningen müsste die geplanten Projekte stark redimensionieren oder diese mit Krediten beziehungsweise über signifikant höhere Gemeindesteuern finanzieren.

Wir wollen Binningen nachhaltig weiterentwickeln. Wir wissen ja auch aus unserer persönlichen Erfahrung, dass in wirtschaftlich unsicheren Zeiten eine flexible Finanzplanung ein Gebot der Stunde ist. Wer Binningen mit Weitsicht weiterentwickeln will, sagt daher mit Überzeugung nein zur Bodeninitiative!

Christoph Daniel Maier
Einwohnerrat Binningen, FDP