CABB-Unfall
Sechs Jahre nach tödlichem Prattler CABB-Unfall: Kantonsgericht muss entscheiden, wer schuld ist

Der tödliche Unfall bei der Firma CABB in Pratteln vom Juli 2014 beschäftigt auch sechs Jahre später weiterhin die Justiz.

Patrick Rudin
Drucken
CABB-Unfall von 2014: Streit um Schuld.

CABB-Unfall von 2014: Streit um Schuld.

niz Nicole Nars-Zimmer

Im April 2019 verurteilte das Baselbieter Strafgericht einen Anlagenwart wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Verursachung einer Explosion, fällte aber für den zuständigen Abteilungsleiter einen Freispruch. Der Anlagenwart legte Berufung ein, ebenso zog die Staatsanwaltschaft den Freispruch des Vorgesetzten weiter. Diese Woche wird der Fall daher im Kantonsgericht in Liestal verhandelt.

Der Ablauf ist unbestritten: Der 25-jährige Mitarbeiter durfte wegen einer Knieverletzung eigentlich nicht in der Produktion arbeiten, stieg dann aber kurz nach Mittag von der sicheren Messwarte dennoch in die Produktionshalle hinab und half beim Abfüllen von Containern. Dabei trat aus einem Container ein giftiges Gemisch aus Essigsäureanhydrid und Dimethylacetamid aus und beschädigte seine Lungen schwer.

24-Jähriger starb an Lungenverletzungen im Spital

Die Ursache des Unfalles war rasch klar, Reste eines früheren Inhaltes im Container führten zu einer elektrostatischen Entladung. Deshalb ist die Verwendung von geerdeten, ableitfähigen Containern vorgeschrieben, doch an jenem Tag vergassen die zwei Arbeiter die entsprechende Kontrolle und füllten einen Container, der nicht ableitfähig war. Der heute 51-jährige Anlagenwart konnte noch rechtzeitig aus der Halle fliehen, bevor der Container barst und der Nebel austrat. Der 24-Jährige hingegen starb wenige Wochen später an den Lungenverletzungen im Spital.

Die Suche nach dem Schuldigen geht derweil weiter. «Er wurde nicht geschult, sondern musste sich Arbeitsabläufe mit hochgiftigen Chemikalien im Selbststudium beibringen», kritisierte Carlo Bertossa am Montag im Kantonsgericht als Verteidiger des 51-jährigen Anlagenwartes.

«Katastrophales Bild über die Zuständigkeiten und Logistik»

Er betonte auch, die Sicherheitskultur sei damals bei der CABB mangelhaft gewesen. «Das Strafverfahren zeichnet ein katastrophales Bild über die Zuständigkeiten und Logistik der CABB AG. Nicht ableitende Container befanden sich noch immer auf dem Firmenareal, obwohl sie seit Januar 2012 gar nicht mehr hätten verwendet werden dürfen», so Bertossa. Der von erster Instanz freigesprochene Abteilungsleiter habe die Sicherheit seiner untergeordneten Mitarbeiter ganz offensichtlich nicht ernst genommen.

Auch Staatsanwältin Sandra Alther lenkte am Montag in ihrem Plädoyer den Fokus auf die Rolle des 55-jährigen Abteilungsleiters. «Das Strafgericht kam zum Schluss, dass sich der Anlagenwart nicht an die geltenden Vorschriften gehalten hat. Er trägt aber nicht die ganze Verantwortung. Beide haben Sorgfaltspflichten missachtet», so Altherr.

Fehler seien nicht dem Mandanten anzulasten

Anwalt Gabriel Giess als Vertreter des Abteilungsleiters hingegen meinte, das Sicherheitskonzept sei klar gewesen, und die Arbeiter hätten jeden einzelnen Container überprüfen müssen. Man könne diese Fehler nicht seinem Mandanten anlasten.

Der Anlagenwart hat inzwischen gekündigt und arbeitet seit Mai 2020 bei einer anderen Firma. Auch der Abteilungsleiter arbeitet nicht mehr bei CABB, er sprach im Gerichtssaal von einer «Aufhebungsvereinbarung».

Für beide Männer geht es um bedingte Geldstrafen, bei einer Verurteilung fallen allerdings auch horrende Verfahrenskosten an. Das Strafgericht sprach der Mutter und dem Bruder des Verstorbenen Genugtuungsummen von 25'000 und 7'000 Franken zu. Auch diese Zivilforderungen wird das Kantonsgericht nochmals überprüfen. Das Urteil fällt voraussichtlich am Dienstag.