Die Gemeindeversammlung zerzaust Pläne für den Ausbau von Bike + Rail-Anlage und nimmt von unverhofftem Plus in der Rechnung Kenntnis.
Über drei Jahre hatten SBB und Sissach ausklamüsert, wie die Veloparkplätze rund um den Bahnhof die wachsenden Massen an Drahteseln bewältigen können. Denn viele davon stehen da kreuz und quer, darüber ist man sich einig. An der Gemeindeversammlung am Mittwochabend legte der Gemeinderat seiner Einwohnerschaft nun ein Projekt vor.
Übrigens war es die Gemeindeversammlung Nummer eins im Coronajahr. Was bedeutet: Fiebermessen am Eingang durch die Feuerwehr, auf die gesamte Turnhalle vereinzelte Stimmbürger, ein nach jeder Wortmeldung desinfiziertes Mikrofon und ein Gemeinderat, der sich dreireihig auf der Bühne verteilte. Und wer sich dennoch unwohl fühle, verkündete Gemeindepräsident Peter Buser, der dürfe, oder solle, vielleicht, ja: nach Hause gehen.
Aber zurück zur geplanten Erweiterung der Bike + Rail-Anlage. Das Angebot schien gut. Die Hälfte der Kosten von 1,13 Millionen Franken trügen die SBB, 22 Prozent der Pendlerfonds Basel-Stadt, lediglich 28 Prozent hätte die Gemeinde dann noch zu tragen. «Sehr, sehr attraktiv», versuchte Gemeinderat Stephan Marti das Geschäft schmackhaft zu machen.
Doch das sollte nicht reichen. Nicht gegen die unpopuläre Tatsache, dass dem neuen Veloparking zehn Bäume zum Opfer gefallen wären. Nicht gegen Bedenken am tatsächlichen Bedarf der knapp 600 zusätzlichen Unterstellplätze. Und auch nicht gegen die vielfältige Kritik an den Kosten und vor allem der Verkehrsplanung.
Man fürchtete nämlich, dass es zu eng wird und dass die oberen Slots der zweistöckigen Anlagen kaum genutzt würden. Die SBB hätten grosse Erfahrung in der Planung solcher Anlagen, entgegnete Marti. «Wenn die SBB Velounterstände wie die Nachfolgeregelung ihrer Lokführer planen, bin ich nicht sehr zuversichtlich», entgegnete Stefan Zemp und forderte: «Zurück an den Absender!»
So kam es, wie es kommen musste: Der Antrag des Gemeinderats wurde abgelehnt, und zwar in ungeahnter Deutlichkeit, gerade mal zwölf Ja-Stimmen standen schliesslich 60 Gegenvoten gegenüber. Nun werde sich, konstatierte Gemeindepräsident Buser mit zermürbtem Unterton, nichts tun, in puncto Velochaos am Bahnhof – über Jahre.
Dass die Gemeinde das Geschäftsjahr 2019 mit einem Gewinn von rund 2,5 Millionen Franken abschloss, geriet daneben fast zur Randnotiz. Die Überschüsse kamen vor allem wegen diverser tieferer Ausgaben sowie einer Aufwertung des Finanzvermögens zustande. Da konnte sich die Gemeinde sogar eine sogenannte «finanzpolitische Reserve» in Höhe von einer Million Franken auf die hohe Kante legen. Und das, obwohl knapp 400000 Franken an budgetierten Steuereinnahmen ausgeblieben waren.
Sissach schwimmt also im Geld? Sozusagen, denn auch die zweckgebundenen Wasserkassen sind prall gefüllt. Weshalb der Gemeinderat seinen Stimmbürgern eine einmalige Reduktion der Wasser- und Abwassergebühren um 50 Prozent vorschlug, immerhin 100 Franken pro Einwohner. Löblich und sympathisch, hiess es aus den Reihen, doch sei das angesichts des Klimawandels nicht die falsche Botschaft? Der einmalige Rabatt wurde schliesslich dennoch gutgeheissen.