Staatsarchiv
Recycling im 16. und Feminismus im 19. Jahrhundert: Die Lieblingsstücke der Staatsarchive beider Basel

Der Verein Schweizerischer Archivarinnen und Archivare (VSA) feiert sein 100-jähriges Jubiläum und lässt eine Schatztruhe durch die Schweizer Archivlandschaft reisen. In diesen Tagen wird sie in den professionellen Archiven der Region Basel aufgefüllt.

Salomé Lang
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Die Staatsarchivarinnen mit ihren jeweiligen Lieblingsstücken: Jeannette Rauschert (l.) mit einer Kopie und Esther Baur mit dem Original im Staatsarchiv von Basel-Stadt.

Die Staatsarchivarinnen mit ihren jeweiligen Lieblingsstücken: Jeannette Rauschert (l.) mit einer Kopie und Esther Baur mit dem Original im Staatsarchiv von Basel-Stadt.

Nicole Nars-Zimmer

Recycling im 16: Jahrhundert: Das Lieblingsstück der Staatsarchivarin von Basel-Stadt

Der Schatz des basel-städtischen Staatsarchivs: ein Dokument aus dem 16. Jh. mit einem Umschlag aus dem 13./14. Jh.

Der Schatz des basel-städtischen Staatsarchivs: ein Dokument aus dem 16. Jh. mit einem Umschlag aus dem 13./14. Jh.

(niz)

Das Lieblingsarchivstück von Esther Baur, Staatsarchivarin des Kantons Basel-Stadt, ist im wahrsten Sinne des Wortes vielschichtig. Es ist eine Grundbesitzauflistung des Klosters St.Alban aus dem 16. Jahrhundert, deren Umschlag ein noch viel älteres Dokument, ein Recyclingprodukt, ist: ein Notenblatt aus einem Gesangsbuch des 13./14. Jahrhunderts. Im Zuge der Reformation hatten solche kirchlichen Gesänge an Bedeutung verloren, doch der materielle Wert des beschrifteten Pergaments wurde weiterhin genutzt. «Dieses Dokument ist typisch für das, was im Archiv geschieht», sagt Baur. Denn es zeige, wie ein Objekt im Laufe der Zeit seinen ursprünglichen Wert verliere, dafür aber neuen Wert gewinne. Heute sei das einst bedeutungslos gewordene Fragment für die Forschung wieder unglaublich wertvoll.

Eine Petition von 33 Sissacherinnen von 1862: Der Archivschatz des Staatsarchivs von Baselland

Die Faksimile einer Petition aus dem 19. Jahrhundert: das Lieblingsstück des basellandschaftlichen Staatsarchivs.

Die Faksimile einer Petition aus dem 19. Jahrhundert: das Lieblingsstück des basellandschaftlichen Staatsarchivs.

(niz)

Eine Petition von 33 Sissacherinnen aus dem Jahr 1862 ist das Lieblingsarchivstück von Jeannette Rauschert, Staatsarchivarin von Baselland. Im Rahmen der damaligen Verfassungsreform des noch jungen Kantons Baselland brachte die Gruppe von Frauen zwei Wünsche ein: Sie forderten mehr Bildung für das weibliche Geschlecht und ein für Frauen gerechteres Erbgesetz. Die Zeit sei noch nicht reif gewesen und die Petition wie auch die Verfassungsreform von 1862 erfolglos geblieben, doch in dem schlichten Papierbogen mit der geschwungenen Kurrentschrift werde der Gestaltungswille und das Selbstbewusstsein der Frauen greifbar, so Rauschert. Das sei zu einer Zeit, in der Frauen politisch bevormundet wurden, aussergewöhnlich. Die Baselbieterinnen hätten rhetorisch geschickt das Instrument der Petition zu wissen genutzt. Das Dokument werfe noch verschiedene Fragen auf, fügt sie an:

«Wer waren die Sissacherinnen und wie kam es zu der gemeinsamen Petition?»

100 Jahre VSA

Der Verein Schweizerischer Archivarinnen und Archivare (VSA) feiert dieses Jahr sein 100-jähriges Jubiläum. In dessen Rahmen veranstaltet er unter anderem das Projekt «archive on tour»: Eine Archivschachtel besucht die Mitglieder des VSA und wird mit Dokumentationen der Lieblingsarchivstücke der Archivarinnen und Archivare gefüllt. In diesen Tagen wird die Schachtel in den professionellen Archiven der Region Basel aufgefüllt. Zur 100. Jahresversammlung des VSA am 15. September endet die Reise der Schachtel in Bern.