Flüh
Sterbehilfe, Bed & Breakfast und Alters-WG - Erika Preisig legt ihre Pläne offen

Dass Erika Preisig in Flüh eine Villa kaufen kann, um Sterbewillige zu begleiten, ist keinesfalls sicher. Die Gemeinde rechnet mit Einsprachen. Am Ende dürfte ein Gericht über das Projekt befinden, das auch eine Alters-WG vorsieht. Potenzielle Bewohnerin: Preisig selbst.

Michael Nittnaus
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Sterbebegleiterin Erika Preisig würde mit ihrer Stiftung gerne nach Flüh ziehen.

Sterbebegleiterin Erika Preisig würde mit ihrer Stiftung gerne nach Flüh ziehen.

Juri Junkov

Es tut sich was im beschaulichen Flüh. Dass die Biel-Benkemer Sterbebegleiterin Erika Preisig mit der Stiftung Eternal Spirit von Liestal ins solothurnische Leimental ziehen will, um in einer Villa am Waldrand Menschen in den Tod zu begleiten, machte diese Zeitung vergangene Woche publik. Und das Thema bewegt: So exponierte sich Andrea Meppiel, SVP-Gemeinderätin von Hofstetten-Flüh, indem sie festhielt: «Ich finde es problematisch, dass Eternal Spirit Sterbetourismus fördert.»

Das will Preisig nicht so stehenlassen: «Der Verein Lifecircle und die Stiftung Eternal Spirit wurden von mir mit dem Hauptziel gegründet, den Sterbetourismus zum Versiegen zu bringen», schreibt sie der bz. Preisig verweist auf ihren Kampf für die Legalisierung der Freitodbegleitung im Ausland. Ihre Überlegung ist simpel: Ist Sterbehilfe weltweit erlaubt, muss kein 104-jähriger Australier mehr in die Schweiz reisen, um sein Leben zu beenden.

 Zum Haus an der Talstrasse 75 in Flüh gehören acht Zimmer, ein Lift, ein Waldstück und ein Pool. Zudem liegt es abgelegen.

Zum Haus an der Talstrasse 75 in Flüh gehören acht Zimmer, ein Lift, ein Waldstück und ein Pool. Zudem liegt es abgelegen.

Juri Junkov

Das ist allerdings noch Zukunftsmusik. Am bisherigen Standort in Liestal wurden pro Jahr rund 80 Freitodbegleitungen durchgeführt, 60 Personen stammten aus dem Ausland. In Flüh dürften die Zahlen zu Beginn ähnlich hoch sein. Preisig und Eternal-Spirit-Vorstandsmitglied Moritz Gall haben allerdings viel mehr mit der Villa an der Talstrasse 75 vor, als bloss ein Sterbezimmer zu betreiben wie in Liestal. Der «bz» legen sie ihre detaillierten Pläne offen: Für das geplante Bed & Breakfast würde die Stiftung ein Paar suchen, das es leitet und selbst im mittleren der drei Stockwerke wohnt.

Gemeindepräsident rechnet mit Einsprachen gegen das Projekt

Längerfristig schwebt Eternal Spirit aber noch anderes vor: Ferienzimmer, in denen Pflegebedürftige für einige Zeit betreut und so deren Angehörige entlastet werden. Oder – bereits konkreter – eine «Alters-WG». Dabei handelt es sich um eine Art Hospiz, wo eine Handvoll Menschen bis zuletzt zusammenleben. Eine Vorstellung, die Preisig selbst sehr entspricht: «Ich könnte mir vorstellen, auch selber in diesem Haus mit zwei bis drei weiteren Senioren meinen Lebensabend zu verbringen», heisst es in einem Schreiben an den Gemeinderat, das der bz vorliegt.

All diese Pläne verpuffen allerdings, wenn das Projekt von der kommunalen Bau- und Planungskommission nicht bewilligt wird. Die Einsprachefrist für das Umnutzungsgesuch läuft bis zum 5. Dezember. Und das Ganze ist kein Selbstläufer. «Noch liegt keine Einsprache auf dem Tisch, doch ich gehe davon aus, dass es welche geben wird», sagt Felix Schenker. Der Gemeindepräsident von Hofstetten-Flüh ist sich bewusst, dass es in der Bevölkerung unterschiedliche Meinungen zum Thema Sterbehilfe gibt. Doch einen eigentlichen Volksentscheid zum Projekt – etwa durch die Gemeindeversammlung – wird es nicht geben. Schenker überlegt sich deshalb, wenigstens einen Infoabend zu organisieren, um den Puls der Bürgerinnen und Bürger zu fühlen. Der Gesamtgemeinderat selbst beriet sich gestern Abend erst nach Redaktionsschluss, ob er sich auch auf eine Haltung festlegen soll, wie von SVP-Meppiel gefordert.

Entscheidend ist aber die Bau- und Planungskommission. Sie muss diskutieren, ob ein B & B mit Freitodbegleitung in einer Wohnzone erlaubt ist. Die Villa liegt in der Zone W2b. Laut Zonenreglement sind dort Wohnbauten zulässig, sowie «nichtstörende Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe». Doch was heisst nichtstörend? «Es wird alles relativ diskret ablaufen», sagt Schenker. So könnten Polizei und Leichenwagen direkt in die Garage der Villa fahren. «Es gibt auf jeden Fall Deutungsspielraum», sagt Lionel Leuenberger vom Solothurner Amt für Raumplanung. Der Kreisplaner fürs Schwarzbubenland geht daher davon aus, dass die Gemeinde das Umnutzungsgesuch bewilligen kann. Gibt es aber Einsprachen, kümmert sich erst das Baudepartement darum und als nächste Instanz das Verwaltungsgericht.

Schlechte Erfahrungen im Schwarzbubenland

«Am Ende muss wohl das Gericht entscheiden», sagt Leuenberger. Und da hat Eternal Spirit im Schwarzbubenland schlechte Erfahrungen gemacht. Erst im September entschied das Verwaltungsgericht, dass sie in Himmelried keine Wohnung für Todkranke betreiben dürfe, die dann zum Sterben nach Liestal gekommen wären. Das Argument: Anwohner könnten sich wegen der Sterbewilligen psychisch unwohl fühlen. Doch es gibt einen gewichtigen Unterschied zu Flüh: In Himmelried lag das Haus mitten im Dorfkern.