Gemeindefinanzen
Unternehmenssteuerreform führt wohl zu Steuererhöhungen

Mit geschätzten 30 Millionen Franken Ausfällen werden die 86 Gemeinden die Reform zu spüren bekommen. Pro Einwohner macht das im Durchschnitt 105 Franken. Am schlimmsten wird es aufgrund dem Fokus auf Life-Sciences wohl Allschwil treffen.

Michael Nittnaus
Drucken
Allschwil wird wegen dem Fokus auf Life-Sciences – im Bild Actelion – die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform besonders zu spüren bekommen.

Allschwil wird wegen dem Fokus auf Life-Sciences – im Bild Actelion – die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform besonders zu spüren bekommen.

«Irgendwie werden wir die zu erwartenden Ausfälle wieder reinholen müssen», sagt Nicole Nüssli. Die Allschwiler Gemeindepräsidentin klingt dabei leicht verzweifelt. Denn sie weiss, dass wegen der Unternehmenssteuerreform III (USR) womöglich kein Weg am bösen S-Wort vorbeiführt: Steuererhöhung. Auch sei ihr bewusst, dass diese Massnahme bei der Bevölkerung stets den grössten Schrecken auslöse: «Diese Angst kann man den Menschen nie nehmen.» Entschieden ist freilich noch nichts, schliesslich greift die USR frühestens 2019. Doch der andere Weg wären weitere schmerzhafte Einsparungen. Und da steht für Nüssli fest: «Die Zitrone ist ausgepresst, wir drehen schon jeden Franken zweimal um.»

Klar ist auch, dass die grösste Baselbieter Gemeinde nicht die einzige ist, die vor der USR zittert. Bereits vor einigen Wochen informierte Finanzdirektor Anton Lauber an zwei Infoabenden die Gemeindevertreter über die – negativen – finanziellen Auswirkungen, die die Reform mit sich bringt. Über alle 86 Gemeinden gesehen rechnet der Kanton ab 2024, wenn die USR ihre volle Wirkung entfaltet, mit Steuerausfällen von 30 Millionen Franken. Im Durchschnitt macht das pro Einwohner 105 Franken.

Firmenmix rettet Pratteln

Es sind die ersten Zahlen, die zur Belastung der Gemeinden existieren. Allerdings gibt es zwei Einschränkungen: Erstens liegt ihnen eine rein statische Betrachtung mit gleichbleibender Steuerbasis und ohne Berücksichtigung von Zu- und Wegzügen von Unternehmen zugrunde. Und zweitens treffen die 105 Franken pro Kopf wenn, dann nur für die 61 Gemeinden zu, die beim innerkantonalen Finanzausgleich zu den Empfängern gehören. Dies, weil sich nur bei ihnen Steuerverluste und die Veränderung der Finanzausgleichszahlungen die Waage halten.

Anders sieht es bei den 25 Gebergemeinden aus. Hier hängen die zu erwartenden Verluste stark vom Anteil der juristischen Personen am gesamten Steuerertrag ab. Dies weil die abfedernden Massnahmen zur USR, die Baselland umsetzen will, jene Unternehmen letztlich steuerlich entlastet, die sonst wegziehen könnten. Wie der Blick in die Steuerstatistik zeigt, schwingt hier eine Gemeinde obenaus: Pratteln. Beim Steuerertrag machen die juristischen Personen ganze 45 Prozent aus.

«Egal, wie hoch die Ausfälle sein werden, wir müssen sie stemmen», sagt Gemeindepräsident Stephan Burgunder. Denn dass die Reform kommen muss, stellt er nicht infrage. Bis jetzt basierten die Berechnungen Prattelns auf den 105 Franken pro Kopf, was 1,7 Millionen entspräche. In den nächsten Wochen beginnt der Gemeinderat aber damit, den Finanzplan für die kommenden fünf Jahre zu erstellen. Dann sollen eigene Berechnungen etwas mehr Klarheit bringen.

Lauber präsentierte an den Infoabenden auch Beispiele fiktiver Gebergemeinden mit viel oder wenig Unternehmenssteuereinnahmen. Das Schreckensszenario bestand aus Pro-Kopf-Kosten von 223 Franken. Bei den rund 16 000 Einwohnern Prattelns gäbe dies 3,6 Millionen Franken. Doch daran glaubt Burgunder nicht: «Am schlimmsten trifft die USR III Gemeinden mit vielen Firmen mit Forschung und Entwicklung. Bei uns gibt es eher Logistiker und Handelsunternehmen. Deshalb sind wir wohl trotz unserem Steuermix weniger betroffen.»

Kanton gibt Bundesgelder weiter

Berücksichtigt man dies, dürfte Allschwil am stärksten leiden, da dort besonders viele Life-Sciences-Firmen sitzen. Gleichwohl hat sich die Gemeinde laut Nüssli bis jetzt auch an den 105 Franken orientiert, was 2,1 Millionen ausmachen würde. Bei 223 Franken pro Kopf betrügen die Ausfälle allerdings schon 4,6 Millionen. «Das wäre dann wirklich ein grosses Problem», so Nüssli. Sie betont aber, dass diese Zahlen mit grosser Vorsicht zu geniessen seien.

Aber auch Burgunder geht davon aus, dass Pratteln kaum darum herum kommt, Leistungen zu hinterfragen und eventuell abzubauen. Allerdings sagt er: «Ich spare nicht gern, sondern erhöhe lieber die Einnahmen.» Steuererhöhungen also auch hier? Der Freisinnige relativiert sogleich: «Nein! Das wäre wirklich das allerletzte Mittel.» Stattdessen sieht er noch viel Potenzial, neue Firmen anzusiedeln und auch zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Davon profitierten auch die Empfängergemeinden etwa im Oberbaselbiet, da die Geber durch Neuansiedlungen wieder gestärkt werden und der Finanzausgleich steigen könnte.

Eigentlich wäre die 30-Millionen-Last der Gemeinden noch um 10 Millionen Franken höher. Doch die Regierung möchte die Gemeinden an der vom Bund vorgesehenen Erhöhung des Kantonsanteils an der Bundessteuer beteiligen. Die 10 Millionen entsprechen dabei rund 35 Prozent. Der Rest ginge an den Kanton. Ob dies den Gemeinden genügt, muss sich weisen. Nüssli und Burgunders erste Reaktion war jedenfalls identisch: «Natürlich wollen wir so viel wie möglich herausholen.»