Georg Herwegh
Wandern wie die Revolutionäre

In den Wirren der Badischen Revolution anno 1848 irrte der Dichter und Liestaler Ehrenbürger Georg Herwegh mit seinen Freischärlern vier Tage durch den Südschwarzwald. Ein Wanderführer folgt seinen Spuren bis an die Schweizer Grenze.

Boris Burkhardt (Text und Bild)
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bz Basellandschaftliche Zeitung

Vom Badisch-Rheinfelder Stadtteil Karsau im Dinkelberg sind es 20 Kilometer nach Liestal. Diesen Abstecher empfiehlt Hartmut Hermanns den Lesern seines Wanderführers «Auf den Spuren von Georg Herwegh»: Denn die Verbindung zwischen beiden Ortschaften ist der württembergische Dichter und Revolutionär, der in Liestal begraben liegt und am vergangenen Dienstag 194 Jahre alt geworden wäre.

Sein Zug für ein geeintes demokratisches Deutschland, die 600 bis 800 Mann starke Deutsche Demokratische Legion, fand am 27. April 1848 in Dossenbach, 10 Kilometer von Rheinfelden entfernt, sein reaktionäres Ende, beim Frühstück überrascht von Truppen des württembergischen Königs. Herwegh konnte mit seiner Frau Emma eben nach Karsau entkommen, von wo sie ein Bauer auf einem Heuwagen in das Schweizer Exil schmuggelte.

Vier Tage irrten die Freischärler durch den Südschwarzwald: Sie wollten sich mit den beiden Zügen Friedrich Heckers und Gustav Struves vereinen, welche am 13. April in Konstanz die Deutsche Republik ausgerufen hatten und mit ihren Freischärlern auf dem Weg zur Hauptstadt Karlsruhe waren. In der Nacht zum Ostermontag, dem 24. April, überschritten die Herweghs mit ihrer Legion zu diesem Zweck den Rhein beim elsässischen Kembs.

Autor Hermanns startet denn auch seine Wanderung in vier Etappen im badischen Kleinkems. Von dort «müssen die Revolutionäre Wege über das verschneite Gebirge wählen, da die Täler von hessischen, nassauischen, badischen und württembergischen Truppen besetzt sind, die zur Abwehr einer französischen Invasion mit der Eisenbahn in den Südwesten Badens transportiert worden waren», schreibt Hermanns. Vierundzwanzig Stunden marschierten die Revolutionäre damals über Kandern bis nach Marzell im Hinteren Kandertal. Der heutige Wanderer schafft die 23 Kilometer dieser ersten Etappe jedoch in sechs bis sieben Stunden.

Als die Herwegh-Schar in Kandern anlangte, war Hecker mit seinem Zug bereits zwei Tage zuvor nur wenige Kilometer entfernt auf der Scheideck von badischen Regierungstruppen geschlagen worden und nach Muttenz geflohen. In der Hoffnung, Heckers Mitstreiter Struve noch in Todtnau zu treffen, wagten die Herweghs trotz des Gewaltmarsches vom Vortag den verschneiten Weg durchs Münstertal nördlich um den Belchen herum bis nach Todtnau im Oberen Wiesental. «Ein vermessenes Vorhaben», wie Hermann heute urteilt. Sie kamen dann auch nur 20 Kilometer weit bis nach Wieden bei Schönau. Auch für die heutigen Wanderer endet die zweite Etappe dort.

In Wieden erreichte die Revolutionäre am 26. April die Hiobsbotschaft, dass auch Struves Schar vor Freiburg geschlagen worden war. Herwegh schätzte seine Chancen realistisch ein und entschied sich für die Flucht in die Schweiz. Um die Regierungstruppen in den Tälern zu umgehen, zog er über 21 Kilometer die Osthänge des Belchen und den Zeller Blauen nach Zell im Wiesental, heute bequem mit der S6 von Basel erreichbar. 1848 gab es aber nicht einmal eine Talstrasse zwischen Schönau und Zell, wie Hermanns berichtet.

Über die Hohe Möhr, Hasel und Wehr hofften die Freischärler, sich nach Rheinfelden durchschlagen zu können. Nach 17 Kilometern endete ihr Zug jedoch wie bekannt in Dossenbach auf unrühmliche Weise. Bis nach Karsau sind es dann noch 7 Kilometer. Von dort fährt der Bus nach Rheinfelden; ein Versteck im Heuwagen ist dank Schengen zur Überquerung der Grenze heute nicht mehr nötig.