Die politische Mitbestimmung sieht kantonal unterschiedlich aus. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Situation in Coronazeiten.
Budget, Festsetzung des Steuerfusses, Investitionskredite: Bei vielen Geschäften sind die Gemeinderäte auf einen Entscheid des Stimmvolks angewiesen. Die Kantone Baselland und Solothurn handhaben die Teilnahme der Bevölkerung in Coronazeiten unterschiedlich.
In den Baselbieter Ortschaften, in denen kein Einwohnerrat existiert, obliegt es der Gemeindeversammlung, über zahlreiche Geschäfte zu befinden. An dieser Praxis wird im Kanton Baselland festgehalten. Der Landrat lehnte ein befristetes Gesetz ab, das es den Gemeinden ermöglicht hätte, Gemeindeversammlungen durch Urnenabstimmungen zu ersetzen.
Der Solothurner Regierungsrat setzte bereits am 30. Oktober die «Verordnung 2 zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der Gemeinden aufgrund der Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus» in Kraft. Diese erlaubt es den Gemeinden im Kanton Solothurn, statt an Gemeindeversammlungen an der Urne abstimmen zu lassen.
Die vom Bundesrat beschlossene Beschränkung der Personenanzahl bei Anlässen gilt für Gemeindeversammlungen nicht. An den Versammlungen muss jedoch ein Schutzkonzept bestehen. In gewissen Räumlichkeiten, in denen sonst die Versammlungen abgehalten werden, stossen die Gemeinden an Kapazitätsgrenzen. In Muttenz findet die Gemeindeversammlung nicht wie gewohnt in der «Mittenza» im Dorfkern, sondern im Januar in der grösseren St.Jakobshalle am Stadtrand von Basel statt. Die Versammlung wird an einem Samstagnachmittag durchgeführt.
Die Baselbieter Regierung verlängerte nach dem Votum des Parlaments die Frist, das Gemeindebudget zu genehmigen, bis 30.April 2021. Normalerweise muss dies bis zum Ende des Vorjahres geschehen. «Wir können es uns jedoch nicht leisten, bis dann zu warten», sagt der Muttenzer Gemeindeverwalter Aldo Grünblatt. «Wir brauchen Klarheit.» Wurde in einer Gemeinde das Budget noch nicht genehmigt, darf die Gemeinde nur gebundene Ausgaben tätigen. Wie in Muttenz ist auch in Baselbieter Kommunen wie Sissach, Aesch, Pfeffingen und Seltisberg die traditionelle Budget-Gemeindeversammlung, die in der Regel im November oder Dezember stattfindet, wegen Corona noch ausstehend.
In vielen Gemeinden im Schwarzbubenland fand regulär in den vergangenen Wochen eine Gemeindeversammlung statt, an der auch über das Budget befunden wurde. Eine Handvoll Gemeinden im Dorneck-Thierstein nutzt die Möglichkeit, auf einen Urnengang umzuschwenken. So finden etwa in Dornach, Rodersdorf und Seewen im Januar Urnenabstimmungen statt, an denen die für die Gemeindeversammlung vorgesehenen Geschäfte vor das Stimmvolk kommen. Die Stimmberechtigten werden an der Urne über so viele Vorlagen abstimmen wie selten zuvor.
Die Zahl derjenigen, die in einer Gemeinde abstimmen, ist bei Urnengängen höher als bei Gemeindeversammlungen. In Langendorf im Solothurner Bezirk Lebern fand kürzlich schon eine Urnenabstimmung anstelle der regulären Budget-Gemeindeversammlung statt. Die Stimmbeteiligung war mit 22,4 Prozent zwar relativ tief, aber dennoch um einiges höher als an einer durchschnittlichen Gemeindeversammlung. An der Budget-Gemeindeversammlung des Jahres 2019 nahmen in Langendorf 93 Stimmberechtigte teil, am diesjährigen Urnengang bestimmten 602 Personen über das politische Geschehen in der Gemeinde mit.
Es gibt durchaus Möglichkeiten: In Seewen haben die Stimmberechtigten die Möglichkeit, dem Gemeinderat im Vorfeld Fragen zu den einzelnen Geschäften zukommen zu lassen. Die Fragen werden anschliessend auf der Website der Gemeinde beantwortet. Während der Debatte im Baselbieter Landrat wurde ins Feld geführt, dass die demokratischen Rechte durch eine Urnenabstimmung anstelle der Gemeindeversammlung beschnitten würden.
Das Argument, dass die demokratischen Rechte durch eine Urnenabstimmung eingeschränkt würden, wirke in Zeiten einer Pandemie nicht so überzeugend, sagt Denise Buser, emeritierte Titularprofessorin für kantonales öffentliches Recht an der Universität Basel. Sie findet: «Wird die Gemeindeversammlung aus Gesundheitsbedenken gar nicht abgehalten, sondern verschoben, ist die Beschneidung der politischen Rechte noch viel grösser.» Es gehe um eine Güterabwägung zwischen gesundheitlichen Bedenken bei der Abhaltung einer Gemeindeversammlung und einer Kompromisslösung in Form von Urnenabstimmungen. «Es macht Sinn, diese Güterabwägung zu Gunsten der minimalen Form, nämlich Urnenabstimmungen, zu entscheiden.»