Die CVP hat ihre komfortable Ausgangslage bei der Ersatz-Wahl des verstorbenen Peter Zwick vor allem einer Kraft zu verdanken: der geläuterten SVP. Die Partei hat einen Freundlichkeitskurs eingeschlagen - eine Strategie, die sich in Kürze ausbezahlt
Es war klar, dass es grosses Kino werden würde: Der SVP-Parteitag vor einem Jahr in der Muttenzer Mittenza. Die letzte Bühne für den abtretenden Dieter Spiess, den unberechenbaren und launigen Parteipräsidenten aus Gelterkinden. Ein Mann für markige Worte. Spiess enttäuschte nicht. Schon im Vorfeld hatte er eine Gegenkandidatur zum Unternehmer Oskar Kämpfer angekündigt, der sein Nachfolger werden wollte. Oskar Kämpfer passte ihm nicht.
Der Therwiler Landrat Kämpfer setzte sich nach einer heftigen Diskussion trotzdem gegen den unbekannten Kampfkandidaten Ermando Imondi durch. Das Handicap des Neuen: Er konnte aufgrund seiner beruflichen Verpflichtungen das Präsidentenamt offiziell erst Anfang 2013 antreten.
Einen Monat später musste Kämpfer den nächsten Parteitag dennoch bereits in der Rolle des neuen Präsidenten bestreiten. Es ging um die Wahl der Parteileitung, die wegen der aufgebrachten Stimmung in Muttenz verschoben worden war. Die erste Bühne für Oskar Kämpfer. Den neuen, netten Parteipräsidenten. Ein Mann für besonnene Worte.
Kämpfer gelang es nicht, das Chaos zu verhindern. Es kam zu einer aufgebrachten Debatte und Unklarheiten im Zusammenhang mit den Wahlmodalitäten. Schliesslich konnte Kämpfer aber seinen «Vorstand von Freunden» doch einsetzen. Mit einer Ausnahme: Der bereits gewählte Hans-Jürgen Ringgenberg verzichtete zugunsten des heutigen Regierungsratskandidaten Thomas Weber auf das Amt des Vizepräsidenten.
Es war ein schwieriger Start
Besonders für Kämpfer, der eine Partei übernahm, die einen desolaten Eindruck hinterliess. Und Ex-Präsident Spiess dachte nicht daran, seinem Vorgänger das Leben einfach zu machen. In einem Interview mit der «Basler Zeitung» ein halbes Jahr nach seinem Rücktritt holte er nochmals zum Rundumschlag aus: Die SVP sei in zwei Lager gespalten. Spiess konstatierte Führungsschwäche bei Kämpfer. Ausserdem könne ein Kantonsparlamentarier die Partei nicht unabhängig führen. Sein Fazit: Die SVP steckt in einer «Identitätskrise». Er prophezeite: «Bei den nächsten Wahlen werden wir aufs Dach kriegen.» Spiess sollte nicht recht behalten.
Die nächsten Wahlen kamen früher als geplant
Ende Jahr kündigte der angeschlagene Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) seinen vorzeitigen Rücktritt an. Kämpfer musste nach seinem offiziellen Amtsantritt sofort in den Wahlkampf steigen. Mit Erfolg. Die Fronten bei den Bürgerlichen waren erstaunlich schnell klar: FDP und CVP sicherten Kämpfer ihre Unterstützung zu und boten damit Hand, dass die SVP den Regierungsratssitz, den sie 2011 bei der Abwahl von Jörg Krähenbühl verloren hatte, zurückerobern kann.
Kämpfer präsentierte im Gegenzug einen, zumindest im Auftritt, gemässigten Kandidaten: Thomas Weber, Beamter und Hobby-Bauer aus Buus, lächelte von nun an in die Kameras. Der Plan ging auf. Die sonst SVP-scheuen CVP- und FDP-Wähler näherten sich der Kröte an, die sie schlucken sollten. Denn diese entpuppte sich im direkten Kontakt als kompromissfähig und freundlich.
Eine Auswertung der «Tageswoche» von Webers Stimmverhalten zeigt allerdings, dass Weber konsequent auf harter Parteilinie abstimmt. Der Regierungsratskandidat, der erst seit 15 Monaten im Parlament sitzt, tritt durchaus auch als Gegner von CVP und FDP auf.
Das scheinen die Koalitionspartner nicht zu wissen
Oder es scheint sie nicht zu stören. Man glaubt CVP-Parteipräsidentin Sabrina Mohn, wenn sie sagt: «Parteimitglieder, die mit Weber gesprochen haben, fanden ihn sympathisch.» Auch bei den FDP-Wählern scheint Weber anzukommen. Am Sonntag des ersten Wahlgangs, am 3. März 2013, waren die Bürgerlichen selbst überrascht vom guten Abschneiden ihres gemeinsamen Kandidaten. Nur gerade 323 Stimmen lag der aus dem Nichts kommende Weber hinter dem Kronfavoriten, dem SP-Nationalrat Eric Nussbaumer. Die Linken redeten die Beinahe-Niederlage als grossen Erfolg für Nussbaumer im bürgerlichen Baselbiet schön. Und mussten sich trotzdem eingestehen: In Anbetracht der guten Vorzeichen war das Resultat enttäuschend. Und für Thomas Weber umso erfreulicher.
Die CVP-Spitze lancierte, trotz Schock über den unerwarteten Krebstod ihres Regierungsrates Peter Zwick eine Woche vor der Ballmer-Ersatzwahl, noch am Wahlsonntag Anton Lauber als Kandidaten für die Zwick-Ersatzwahl. Der Allschwiler Gemeindepräsident Lauber, im Gegensatz zur Kantonsfusions-Befürworterin Elisabeth Schneider, ist ein Kandidat, mit dem die SVP offenbar so gut leben kann, dass Parteipräsident Kämpfer und Nationalrat Thomas de Courten noch gleichentags verkündeten, die SVP werde wohl nicht gegen Lauber antreten.
Ein pragmatischer Entscheid
Überraschend pragmatisch für eine Partei, die sich in der Vergangenheit gerne kampffreudig und unberechenbar gezeigt hatte. Selbst die grössten Optimisten in der CVP hätten nicht damit gerechnet, dass sich die SVP so rasch zu diesem Schritt durchringt und auf eine Kandidatur verzichtet, heisst aus dem Umfeld der Parteispitze.
Präsidentin Sabrina Mohn bestätigt, dass die Zusammenarbeit mit Oskar Kämpfer sehr gut funktioniere. Sie könne sich auf ihn verlassen. Auch FDP-Präsidentin Christine Frey zeigt sich begeistert von der neuen SVP-Spitze. Die Partei trete unter Kämpfer gemässigter und damit konstruktiver auf. Seit einem Jahr führe die FDP regelmässig Gespräche mit der SVP. Die Zusammenarbeit funktioniere gut, man habe eine Vertrauensbasis gefunden, sagt Frey.
Kein Spiess mehr, der macht, was er will. Abgelöst wurde aber nicht nur Spiess, sondern auch Thomas de Courten. Die Ära des rechten Hardliners als Fraktionspräsident wurde im Dezember 2011 beendet, nachdem de Courten in den Nationalrat gewählt worden war. Sein Nachfolger: Dominik Straumann, Polizist aus Muttenz und jüngstes Fraktionsmitglied. Ein netter Mann.
Auch SVP-Männer sehen Veränderung ihrer Partei
Caspar Baader, Nationalrat und einst die Nummer drei der SVP Schweiz hinter Christoph Blocher und Parteipräsident Toni Brunner, nennt es «einen anderen Zugang», den Oskar Kämpfer zu Polit-Kollegen habe. Christian Miesch, zuständig für die Strategie der Kantonalpartei, sagt: «Es wurde eingesehen, dass man nur zusammen eine Chance hat.» Oskar Kämpfer sei umgänglich und offen. Kämpfer, der Nette, gibt das Lob sogleich an die «starken Parteipräsidentinnen» weiter, mit denen die Zusammenarbeit gut funktioniere.
Bleibt nur noch die Frage, wie lange der parteiinterne und übergreifende Friede hält. Denn eines steht fest: Der zweite Wahlgang, das wird grosses Kino.