Katzen gelten als Hauptschuldige für den Rückgang der Biodiversität – zu Unrecht, sagt Zoologin Sara Wehrli.
Der Beitrag löste ein grosses Echo aus. Nachdem der Artikel «Katzen fressen die Landschaft leer» im Dezember in der bz erschienen war, meldete sich etwa Sara Wehrli vom Schweizerischen Tierschutz (STS) in Basel zu Wort. Es handle sich um «reine Politpropaganda» für Johannes Jenny, schrieb die Zoologin und Leiterin der STS-Fachstelle Wildtiere. Der Aargauer FDP-Grossrat und Präsident von Pro Natura Aargau betreibe «Hetze gegen Katzenhalter». Jenny hatte im Mai 2016 eine Katzensteuer vorgeschlagen – mit dieser könne die Zahl der Tiere reduziert werden. Das sei dringend nötig, da bestens genährte, herumstreunende Hauskatzen in der freien Natur unzählige Kleintiere verstümmeln würden. Ein Vertreter von Pro Natura Baselland berichtete kürzlich, dass die Zauneidechse in Therwil gebietsweise ausgerottet worden sei – wahrscheinlich von Katzen.
Die hohe Katzendichte, entgegnet Wehrli, sei höchstens der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringe. Der wahre Sünder ist laut der Münchensteinerin woanders zu suchen.
Sara Wehrli: Ich halte es für problematisch, wenn man eine derart komplexe Thematik auf einen Faktor reduziert.
Das stimmt. Es ist jedoch auch unbestreitbar so, dass viele weitere Faktoren am Rückgang der Biodiversität beteiligt sind. Es ist doch so: Alle wollen Biodiversität, aber sie geht zurück. Und jetzt hat man die Katzen als Schuldige ausgemacht. Man folgert: Ist die Katze weg, verschwinden auch die Probleme. Doch so einfach ist es nicht. Wenn wir schon einen Schuldigen präsentieren müssen, dann den Menschen.
Nicht nur das. Es geht nicht nur um die reine Zahl der Katzen. Der Rückgang der Biodiversität ist mit mannigfaltigen Gründen erklärbar. Das beginnt beim Kleinen, etwa bei der monotonen Gartengestaltung, und setzt sich fort bei der ausgeräumten Landschaft, der intensiven Landwirtschaft, der Zersiedelung. Kleine Wirbeltiere – die Hauptbeute von Katzen – finden immer weniger Nahrung und Verstecke. Wir haben einen sehr grossen Einfluss auf die Ökosysteme, nicht zuletzt mit unserem Konsum- und Mobilitätsverhalten. Jetzt auf die Katzen loszugehen, ist scheinheilig.
Der Ständerat will nichts wissen von einer Kastrationspflicht für Katzen in der Schweiz. Die kleine Kammer entschied an ihrer Sitzung vom 15. Dezember, einer entsprechenden Petition nicht Folge zu leisten. Sie verlangte die «obligatorische Sterilisation und Kastration der Katzen in der Schweiz». Zudem hätte für die Zucht von Rassekatzen eine Bewilligung erforderlich sein sollen.
Eingebracht hatte das Begehren die Genfer Organisation «SOS Chats». Die vorprüfende Kommission des Ständerats befand, dass die bestehenden rechtlichen Grundlagen genügen würden. Schon heute seien die Haltung und Halter von Katzen dazu verpflichtet, zumutbare Massnahmen zu treffen, um eine übermässige Vermehrung der Tiere zu verhindern. Ebenso könnten kantonale Vollzugsbehörden anordnen, dass Katzen unter bestimmten Umständen kastriert werden sollen. Eine obligatorische Kastrationspflicht wäre laut Kommission unverhältnismässig.
Mittlerweile werden bereits für ein ähnlich lautendes Begehren Unterschriften gesammelt: Die Tierschutzorganisationen Network for Animal Protection (NetAP) und Stiftung für das Tier im Recht (TIR) wollen Bundesrat und Parlament mit einer Petition auffordern, eine Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen einzuführen. Dies sei eine verhältnismässige Massnahme, um einen weiteren Anstieg der Streunerpopulation zu vermeiden, das Katzenleid zu verringern und den Katzenbestand in der Schweiz nachhaltig zu regulieren, heisst es im Petitionstext (www.kastrationspflicht.ch). Die Sammelfrist läuft im März 2018 aus.
Die Zahl der Katzen ist hoch, sie war es aber auch schon früher. Die Katze kommt seit 2000 Jahren in Mitteleuropa vor. Und früher konnte man die Tiere gar nicht kastrieren! Das grösste Problem sind streunende, verwilderte Katzen. Tiere, die niemandem gehören. Wir vom Schweizerischen Tierschutz schätzen, dass es etwa 100 000 frei lebende Katzen gibt. Ihre Zahl muss man begrenzen, etwa mit Kastrationen.
Sie dürften theoretisch schon heute geschossen werden. Doch das kommt extrem selten vor. Die Gefahr von Fehlabschüssen ist zu gross, und politisch ist die Forderung auch nicht durchsetzbar.
Auch hier setze ich ein Fragezeichen. Wie soll man diese Steuer kontrollieren? Bei Hunden ist es einfach: Die sind zuortbar, Hunde trifft man fast immer mit ihren Besitzern an. Katzen jedoch sind in der Regel alleine unterwegs. Man weiss meist nicht, wem sie gehören. Dann wäre eine Steuer für randständige Menschen eine grosse zusätzliche Belastung.
Die allgemeine Kastrationspflicht ist politisch ebenfalls nicht durchsetzbar. Der STS führt seit Jahren Kampagnen zur Kastration von frei lebenden Katzen durch. Bund, Kantone, Gemeinden, aber auch Verbände könnten uns stärker unterstützen. Das wäre wünschenswert.
Vogelbäder und -Futterplätze sollten so angeordnet sein, dass sich Katzen nicht anpirschen können. Laub- oder Steinhaufen sowie Totholz sind ideale Verstecke und Lebensräume für viele Beutetiere von Katzen, ebenso Trockenmauern. Generell ist ein englischer Garten für Mäuse und Vögel nicht ideal, da hat eine Katze leichtes Spiel.