Im Baselbiet dürfen Betroffene der Coronakrise auf die Übernahme alltäglicher Ausgaben hoffen, können diese nicht beglichen werden.
«Alles begann vor ungefähr viereinhalb Jahren mit einer leichten Entzündung in der Schulter», erzählt Hans Steiner* am Telefon. Da die Schmerzen auszuhalten gewesen seien, habe er sich an sie gewöhnt und bis Ende letzten Jahres Ruhe gehabt. Der Laufentaler arbeitet seit zehn Jahren in einer Bedachungsfirma. Körperliche Arbeit ist für ihn somit Alltag. Da er einen gesunden Lebensstil führe, weder rauche noch regelmässig trinke, habe er nie über eine Senkung seiner Krankenkassenfranchise nachgedacht. Bis er im Herbst mitten in der Nacht mit starken Schmerzen aufwachte. Was dann folgte, waren Untersuchungen beim Spezialisten, die Diagnose Schleimbeutelentzündung und Physiotherapiesitzungen, welche die Beschwerden kaum zu lindern vermochten. Der MRI-Befund förderte zutage, dass seine Schulterbänder schon lange gerissen waren: «Eine Operation war unumgänglich.»
Man möchte glauben, dass ein derartiger Routineeingriff für die meisten Menschen in der Schweiz problemlos zu finanzieren ist. Das Projekt der Glückskette «Soforthilfe für Menschen in Not», das in Zusammenarbeit mit Caritas Schweiz und dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) realisiert wird, widerspiegelt aber eine andere Realität. «Durch die Coronakrise hat sich die Situation für Personen, die ohnehin nahe am Existenzminimum leben, extrem zugespitzt», weiss Corinne Sieber, Projektverantwortliche beim SRK Baselland. Die im April ins Leben gerufene Soforthilfe steht Personen zur Verfügung, die durch die Massnahmen des Bundesrats oder Kurzarbeit in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. «Die Gelder stellt die Glückskette zur Verfügung, während lokale Organisationen wie Pro Infirmis, Pro Senectute, Caritas oder das SRK dank ihren sozialen Netzwerken an die Betroffenen gelangen», erklärt Silvia Gallo, Medienverantwortliche beim SRK Baselland.
Über eine lokale Organisation – die Budgetberatung des Frauenvereins Muttenz – erfuhr auch Steiner vom Projekt. «Als ich mir eingestehen musste, dass ich ohne Unterstützung nicht über die Runden komme, habe ich mir Hilfe geholt.» Als geschiedener Vater dreier Kinder reicht Steiners Handwerkerlohn nicht weit; erst recht nicht in der momentanen Kurzarbeitsphase. Er muss knapp 3'000 Franken Alimente bezahlen, weitere 1'300 Franken fallen für Wohnungsmiete und Krankenkasse an. Obwohl das Geld reiche, bleibe Ende Monat nicht viel übrig.
Steiner durfte vor kurzem aufatmen. Sein Gesuch wurde bewilligt und ein Teil der Leistungsabrechnung für seine Schulteroperation übernahm das SRK, einen weiteren die Winterhilfe. «Mir ist es sehr wichtig, schuldenfrei durchs Leben zu kommen. Wegen meinen Finanzen hatte ich echt die Hosen voll», beschreibt Steiner seine damalige Gefühlslage. Die Auflistung jedes einzelnen Rappens beim Stellen des Gesuchs sei zwar unangenehm, aber verkraftbar gewesen.
Corinne Sieber kann von Schicksalen wie von demjenigen Steiners ein Lied singen. Insgesamt bewilligte das SRK Baselland bislang 21 Gesuche, wobei ein Maximalbetrag von 1'000 Franken pro Gesuch übernommen wird. «Unter den Gesuchstellenden befinden sich Schweizer, Migranten, Einzelpersonen, Ehepaare und besonders oft Personen mit Kindern.» So zum Beispiel die alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes. Sie arbeitet als Köchin in einem Restaurant, das während des Lockdowns geschlossen war. Ob sie Kurzarbeitsgelder erhält, war zum Zeitpunkt der Gesuchseingabe unsicher. «Die Unterstützungsbeiträge umfassen wichtige Alltagsausgaben wie Krankenkassenprämien, Mieten oder Lebensmittelhilfen», erzählt Sieber. Dabei orientiere man sich am Existenzminimum. Bei der alleinerziehenden Mutter habe man die Monatsmiete einmalig bezahlt.
Sozialhilfebezieher werden vom Projekt nicht ausgeschlossen, wie ein weiteres Beispiel zeigt: Ein IV-Teilrentebezieher, der aufgrund der Coronakrise nicht arbeiten kann, erhält momentan weder Lohn noch Ersatzzahlungen. Auch ihm wurde sein Gesuch bewilligt. Die Soforthilfe verstehe sich als Ergänzung zur staatlichen Grundsicherung, so Sieber. Und im Gegensatz zum Staat sei es dem SRK möglich, niederschwellig zu reagieren. Steiner kann dies bestätigen: «Die Bezahlung der Rechnungen funktionierte unkompliziert. Dennoch sehe ich das Angebot als Überbrückung, auf die ich hoffentlich nicht mehr zurückgreifen muss.
*Name der Redaktion bekannt