Die GLP will das «Berner Modell» einführen, das auf Nichtregierungsorganisationen und die Fremdenpolizei setzt.
Als am Mittwoch der Basler Grosse Rat über das Bettelproblem diskutierte, waren die Fronten klar verhärtet: für oder gegen ein Bettelverbot. Zwischentöne hatten in der polarisierten Debatte wenig Raum. Der Sicherheitsdirektor Baschi Dürr (FDP) musste einräumen, dass ihm die Hände gebunden sind: «Nur wenn ein Verhalten direkt unter Strafe gestellt ist, hat die Polizei das Recht, ohne weiteres einzugreifen», stellte er klar.
Vonseiten der GLP-Grossrätin und Regierungskandidatin Esther Keller kommt nun die Anregung, das so genannte «Berner Modell» zu übernehmen. Die Stadt Bern geht seit 2009 das Bettelproblem mit einem ganzheitlichen Ansatz an. Die Fremdenpolizei redet mit den Bettlern, statt ein generelles Verbot auszusprechen. Die EU-Bürger unter den Bettlern hat man an die entsprechende Botschaft verwiesen.
«Wir erklärten den Leuten, dass ihnen in ihrer Heimat soziale Unterstützung zustünde», erklärte Alexander Ott, Co-Leiter der Berner Fremdenpolizei, der «Berner Zeitung». Neben ausländischen Vertretungen wurden auch Kinderschutzprogramme von Nichtregierungsorganisationen ins Boot geholt, da auch immer wieder Kinder von den Bettelbanden instrumentalisiert wurden.
Die Berner Behörden unterstützen unter anderem ein Programm der Organisation Terre des Hommes, die sich in Osteuropa für das Wohl und Recht von Kindern einsetzt. Bern behandelte die bettelnden Kinder als Opfer und nicht als Täter. Von allen in die Thematik involvierten Stellen wurden verbindliche Zuständigkeiten verlangt.
Die intensive Betreuung und Zuwendung vonseiten der Behörden schienen vielen Bettlern in Bern nicht zu behagen. Ein halbes Jahr nach dem Systemwechsel haben fast alle ausländischen Bettler die Stadt verlassen. Esther Keller kann nicht verstehen, weshalb die Basler Behörden dieses Vorgehen nicht auch hier in Betracht gezogen haben, anstatt nur zwischen den Extrempositionen Bettelverbot ja oder nein zu diskutieren.
«Der Einbezug der ausländischen Behörden, Migrations-, Kinder- und Jugendfachstellen, Polizei und Grenzwache ist ein interessanter Ansatz, den wir in Basel zumindest genauer prüfen sollten», fordert Keller. Die Regierungsratskandidatin stellt aber klar, dass sie sich keineswegs der Diskussion über eine mögliche Rückkehr zum Bettelverbot verweigert. «Wenn solche breite Massnahmen nicht fruchten, sind wir als GLP bereit, im Grossen Rat einem Bettelverbot zuzustimmen.»
Gegen die Bettelei wird das Ausländerrecht angewandt. Zwischen März 2009 und Ende September 2011 hat die Berner Fremdenpolizei 689 ausländische Personen angehalten und kontrolliert. Gegen 490 wurden ausländerrechtliche Massnahmen verfügt – unter anderem auch Landesverweise. Beim Justiz- und Sicherheitsdepartement von Regierungsrat Baschi Dürr (FDP) will man das Berner Vorgehen nicht kommentieren.
Der grosse Unterschied von damals in Bern zu heute in Basel sei aber, dass in Bern die Kinderproblematik sehr akut war. Dies sei zurzeit in Basel nicht festzustellen, betont JSD-Sprecher Toprak Yerguz. «Keine Stadt vermochte oder vermag einen Bettler wegweisen, ohne dass sie ihm rechtsgenüglich irgendeinen Verstoss nachgewiesen hätte», betont er.
Noch laufen die Verfahren, weswegen offen sei, ob dies zu einer Beruhigung der Situation beiträgt. Bettlerinnen und Bettler aus EU-Staaten brauchen für Aufenthalte von maximal drei Monaten keine Aufenthaltserlaubnis und können nur bei Gesetzesverstössen ausgewiesen werden.
Dass man beim JSD die Rückkehr zum Bettelverbot bevorzugen würde, ist augenscheinlich. Sprecher Toprak Yerguz sagt: «So oder so ist alles deutlich aufwendiger als ein generelles Bettelverbot, das sehr einfach und gemäss Bundesgericht rechtmässig ist sowie bis Juni 2020 in Basel erfolgreich funktionierte.»