Die Metamorphose zum Polyfon-Festival ist gelungen – das frühere Open Air Basel weiss auf dem Kasernenareal mit spannenden Konzerten sowie verstärktem Fokus auf Vielfalt und Nachhaltigkeit zu überzeugen.
«Endlich ist hier wieder viel Energie zu verspüren», schwärmt Sandro Bernasconi. Der abtretende Musikchef der Kaserne zeigt sich sichtlich zufrieden mit dem Polyfon-Festival, das erstmals unter diesem Titel stattfand. Nicht nur die Zahlen haben gestimmt (der Samstag war sogar ausverkauft), sondern auch die Transformation der Veranstaltung sei vollends gelungen: weg von der Bezeichnung Open Air Basel und namhafteren Acts – hin zu grösserer Vielfalt, Nachhaltigkeit und nicht ganz so bekannten Künstlerinnen und Künstlern.
An den beiden ersten Festivaltagen hätten auf der Bühne insbesondere die ukrainische Rapperin Alyona Alyona und die Formation Yalla Queen mit ihrer Mischung aus Jazz, Funk und arabischer Musik für Höhepunkte gesorgt. «Ebenfalls sehr gut aufgenommen wurden die Workshops und die Stände», sagt Alexandra Adler, die Medienchefin des Events. Stellvertretend erwähnt sie die Afro-Percussion-Session, bei der zusehend mehr Menschen mittrommelten, aber auch den Awareness-Stand. An diesem konnte man sich über Themen wie Diversität und Gleichstellung in der Musikszene informieren sowie am Festival erfahrene rassistische oder sexistische Bemerkungen und Übergriffe melden.
Einlass ans Polyfon erhielt übrigens nur, wer über ein gültiges Covid-Zertifikat verfügte. «Weshalb wir vor Ort eigens eine rege genutzte Corona-Teststation hatten, an der sich mehrere hundert Menschen haben testen lassen», so Sandro Bernasconi. Dank diesen Massnahmen konnte sich das Publikum auf dem Kasernenareal maskenbefreit bewegen. Entsprechend ausgelassen präsentierte sich die Stimmung, wozu auch das durchgängig sonnige Wetter beitrug. Ebenso wie die Musik, die draussen gratis zu geniessen war. Bezahlt werden musste für die Konzerte in der Reithalle.
In dieser spielten am Samstagabend zunächst Kikagaku Moyo aus Tokio auf. Hauptmerkmal der ehemaligen Strassenmusiker ist die elektrische Sitar von Ryu Kurosawa. Diese steuerte die Songs des Quintetts mal in Richtung Krautrock, mal hin zum linden Soft- oder Psychedelic-Rock. Ihr Ansinnen schien es zu sein, sich auf eine ausgedehnte Jamsession zu begeben. Das Ergebnis war gepflegte Musik mit mystischer Aura und voller zerdehnter Klanglandschaften – angereichert mit ein paar härteren Ausbrüchen. Gleich im Anschluss liess sich draussen das Projekt Transmitting Voices verfolgen. Für dieses haben sich algerische und schweizerische Musikerinnen und Musiker erst digital und wenige Tage vor Festivalbeginn live zusammengefunden, um gemeinsam Songs zu entwickeln. Eine spannende Idee, die jedoch im Partygeschnatter vor der Bühne schier unterging.
Kurz nach 22 Uhr war die Reihe dann an Sophie Hunger, der Headlinerin des Festivals. Zunächst trat sie alleine mit akustischer Gitarre an und sang «Putsch» von ihrem letztjährigen Album «Ich liebe dich». Ein stimmiger Auftakt in der Reithalle, welche sich mit zunehmender Konzertdauer zur Sauna entwickelte. Davon liess sich die dauerstrahlende Sängerin jedoch nicht beirren. «So ein schönes Bild», sagt sie, das Publikum betrachtend, und lässt durchblicken, wie sehr sie es vermisst habe, wegen der Pandemie keine Shows spielen zu dürfen.
Gemeinsam mit ihren Begleitern gibt die 38-Jährige Klassiker wie «Le vent nous portera» und Neues wie «Ich liebe dich, Sophie» zum Besten. Die knapp achtzig Minuten berauschen und lassen spüren: Es ist Seelenbalsam, wieder Konzerte besuchen zu können. Umso schöner, dass bereits jetzt gewiss ist: Das Polyfon-Festival wird 2022 zurückkehren – dann unter neuer künstlerischer Leitung von Marlon McNeill und Caroline Faust.