Mein wonnig Weib und ich waren in Gstaad. Nein, wir sind nicht reich. Aber wir tun, als ob wir nett wären, und finden dann Freunde, die uns einladen. Unseren zerkratzten Peugeot liessen wir daheim, auch wenn man für so was in Gstaad immer einen Parkplatz findet – die SUVs hier sind so gross, da kann man ein normales Auto problemlos unterstellen.
Gstaad ist schmuck. Die Schaufenster auch. Die Juwelen tragen keine Preisschilder. Zur Sicherheit. Damit vor dem Schaufenster nicht dauernd Leute in Ohnmacht fallen und sich beim Aufprall verletzen. Die Boutiquen immerhin schreiben ihre Stücke an. Jenes wunderbare Wullejäckli an der Promenade – ich hätte es meinem wonnigen Weib glatt geschenkt und unser Auto an Zahlung gegeben. Aber wir hatten es ja nicht dabei, wie gesagt. Zudem bemerkte mein Weib trocken, das Auto sei auf ihren Namen eingelöst, imfall, von mir seien nur die Kratzer. «Du meinst die Verzierungen», brummte ich, war aber doch beruhigt, dass sie das Wullejäckli nicht wollte. Ein Wullejäckli für 4200 Franken stammt bestimmt von einem ausgestorbenen Blaunasen-Zwergschaf oder so, das am Südhang des Kilimandscharo zehn Jahre lang mit tansanischer Elefantenmilch handgeschöppelt wurde. In unserer Ehe bin ich der, der wäscht, und ich habe weder Lust auf Handwäsche noch darauf, im Notgebet vor der Waschtrommel zu knien, weil ich die Jacke aus Versehen in eine 40er geschmissen habe.
Mehr als über das Waschen denke ich über die Gstaader Verkäuferinnen nach. In manchen Läden reicht eine Kundin pro Woche für den nötigen Monatsumsatz. Viel zu tun gibt das nicht. Also steht so eine Verkäuferin im Laden und starrt mit leerem Blick auf die Strasse hinaus, Stund um Stund, Tag für Tag. Sie sinniert wohl über weiss Gott was oder checkt auf dem Handy alle zehn Minuten News über die Flüchtlingslager, bis eine Kundin eintritt, die für ein Handtäschli zweimal soviel Geld ausgibt wie die Verkäuferin im Monat verdient.
Eines Tages wage ich es vielleicht, betrete einen solchen Laden und bitte die Verkäuferin, mir zu erzählen, was ihr Beruf mit ihr macht. Womöglich hätte sie ja Freude, dass mal jemand wegen ihr kommt und nicht wegen einem irrwitzig sinnlosen Teil im Schaufenster.