Sterbehilfe
Sterbevilla in Flüh: Preisig stellt sich den Fragen der Bevölkerung

Erika Preisig möchte in Flüh assistierte Suizide durchführen. Das sorgt im Dorf für Verständnis, aber auch Kritik.

Dimitri Hofer
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Die Anwesenden an der Aussprache hatten viele Fragen an Sterbehelferin Erika Preisig.

Die Anwesenden an der Aussprache hatten viele Fragen an Sterbehelferin Erika Preisig.

Juri Junkov

In Hofstetten-Flüh im Solothurnischen Leimental gibt es derzeit ein Thema, das alles dominiert: Eine Villa im Ortsteil Flüh, in der künftig assistierte Suizide durchgeführt werden sollen. Die Stiftung Eternal Spirit um die bekannte Sterbehelferin Erika Preisig hat vor, dort Menschen in den Tod zu begleiten.

Die Bevölkerung in der beschaulichen Gemeinde an der Grenze zu Frankreich wurde im November von der Nachricht über die Pläne aufgeschreckt. Das Umnutzungsgesuch für das Projekt zog sieben Einsprachen nach sich. Am Montagabend ergriff die Stiftung die Flucht nach vorne und lud zu einer Aussprache ein. Rund 150 Personen kamen in die Aula der Primarschule in Hofstetten. Zwar gab es deutliche Kritik am Vorhaben. Die Mehrheit der Anwesenden zeigte aber Verständnis für die Pläne. Bei vielen Votanten kamen Emotionen zum Vorschein.

«In Flüh gibt es ein Pflegeheim. Glauben Sie, dass dort nicht gestorben wird?»

Erika Preisig, Sterbehelferin

Die Liegenschaft in Flüh sei für die Stiftung ideal

Zu Beginn erzählte Erika Preisig den Einwohnern, weshalb bald in Flüh assistierte Suizide stattfinden sollen. «Unser Vertrag am derzeitigen Standort im Oristal in Liestal läuft aus. Deshalb begaben wir uns auf die Suche nach einer neuen Liegenschaft.» Das abseits vom Dorfkern in einem Gewerbegebiet an der Talstrasse gelegene Haus sei ideal für die Stiftung. «Das Gebäude ist gross und hat einen Lift. Es gibt eine Doppelgarage, in welche die Polizeiautos fahren können.» Nach jeder Sterbebegleitung müssen vor Ort behördliche Abklärungen gemacht werden. Mit der Gemeinde Hofstetten-Flüh hat sich die Stiftung darauf geeinigt, dass jährlich höchstens 60 assistierte Suizide stattfinden dürfen.

«Die Kirche sagt: Du sollst nicht töten.»

Günter Hulin, Pastoralraumleiter

Aus dem Publikum wurden einige Stimmen laut, die sich vehement gegen das Projekt stellten. Vor allem Anwohnerinnen und Anwohner liessen ihrem Unmut über die Pläne der Stiftung Eternal Spirit freien Lauf. In der Matratzenfabrik Recticel Bedding AG, die sich neben der Liegenschaft befindet, sorge man sich um die Angestellten, wie Mitarbeiterin Marianne Frei sagte. Für die Angestellten sei es moralisch nicht vertretbar, neben der Villa zu arbeiten.

Eine Anwohnerin machte sich Sorgen um die Kinder, worauf Erika Preisig antwortete, dass Kinder viel besser als Erwachsene mit dem Tod umgehen könnten. Ein kurzes Statement gegen das Projekt gab Günter Hulin, Leiter des Pastoralraums Solothurnisches Leimental, ab. Mit einiger Wut im Bauch erklärte er: «Die Kirche sagt: Du sollst nicht töten.»

«Für unsere Angestellten ist es moralisch nicht vertretbar, neben der Villa zu arbeiten.»

Marianne Frei, Recticel Bedding AG

Erika Preisig erhielt den lautesten Applaus

Am meisten Zuspruch erhielten jedoch die Votanten, die dem Projekt den Rücken stärkten. Der Witwer Guido Herzberg sprach sich für assistierten Suizid aus: «Meine Frau ist in einem Hospiz gestorben. Das war nicht schön», erzählte er. Anwohner Marc Bönzli sagte: «Ich denke, dass wir mit der Zeit nicht mehr viel von der Sterbebegleitung in Flüh mitkriegen.» Und Sterbehelferin Erika Preisig selbst stellte klar: «In Flüh gibt es ein Pflegeheim. Glauben Sie, dass dort nicht gestorben wird?» Für diese Aussage erhielt sie von Anwesenden den lautesten App-laus des Abends.

«Ich habe das Gefühl, dass wir mit der Zeit nicht mehr viel von der Sterbebegleitung in Flüh mitkriegen.»

Marc Bönzli, Anwohner

Obwohl keine Umfrage durchgeführt wurde, blieb das Gefühl, dass die Mehrheit die Pläne gutheisst. Entscheiden, ob die Villa umgenutzt werden kann, wird die Bau- und Planungskommission von Hofstetten-Flüh. Kommissionspräsident Benjamin Haberthür stellt den Beschluss für März in Aussicht. Personen, die mit dem Entscheid nicht zufrieden sein sollten, können anschliessend an den Kanton Solothurn gelangen.